Willkommen auf meiner Website
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1933

 

hat »der Nationalsozialismus in der Demokratie mit der Demokratie die Demokratie besiegt.« So Hitler im Originalton.

Heute im Jahr 2024 ist die Demokratie in Deutschland und vielen anderen Staaten der Welt wieder bedroht und von populistischen Ideologien durchsetzt oder hat sich bereits hin zu illiberalen, autokratisch-populistischen und faschistischen Staatsformen entwickelt.

Es ist Zeit die Demokratie neu mit Leben zu füllen.
Lesen sie dazu mein Buch: DEMOKRATIE LEBEN!


und meine aktuellen Essays unter der Rubrik 'Essays und Meinung':

 

Wider den autokratischen Zeitgeist

 

Identität und Differenz
Ein Plädoyer für eine offene Gesellschaft


Eine kleine Philosophie der Lüge.
Die Lüge im öffentlichen Raum und ihre Folgen.

 

Das Buch öffnet die Augen für das, was wichtig ist im Leben.
"Wenn wir Neues schaffen wollen, müssen wir uns von dem bloß passiv-betrachtenden Denken, dem Zukunft fremd ist, lösen. Wir müssen den Willen zum Verändern der Welt,in der wir leben aufbringen und den Mut haben, unser Wissen und Denken auf die noch ungewordene Zukunft ausrichten."
(aus: GUTES LEBEN, S. 330)

 

Spannender histori-scher, biografischer Roman über Olympe de Gouges: Warum nicht die Wahrheit sagen.

»Ich bin eine Frau. Ich fürchte den Tod und eure Marter. Aber ich habe kein Schuld-bekenntnis zu machen. Ist nicht die Meinungs-freiheit dem Menschen als wertvollstes Erbe geweiht?«

So verteidigte sich Olympe de Gouges vor dem Revolutionstribunal in Paris. Eine kompromisslose Humanistin, eine sinnliche, lebenslustigeund mutige 

Frau, die der Wahrheit unter Lebensgefahr zum Recht verhelfen will und als erste Frau in der Geschich-te  auch für das weibliche Geschlecht die Bürger-rechte einfordert. Die Zeit vor und während der Französischen Revolution gewinnt in dieser historisch-authentischen Gestalt Lebendigkeit und atmosphärische Dichte.


Unteres Bild:
Ehrung von Olympe de Gouges bei der Eröffnungsfeier der olympischen Spiele in Paris 2024.

Piano Grande
Ein Roman über die Liebe in Zeiten der Krise.

Der Roman Piano Grande

zeichnet ein eindringliches Porträt des ersten Jahr-zehnt dieses Jahrhunderts, in dem die Finanz- und Wirtschaftskrise die Welt an den Rand des Abgrunds brachte.

Der Roman wirft auf dem Hintergrund einer großen Liebesgeschichte "einen sezierenden Blick auf die Gesellschaft und ihre Eliten..., die die Welt im Jahr 2008 in eine wirtschaftliche Kata-strophe geführt haben ..." (Wetterauer Zeitung)

 

Als vertiefende Ergänzung zu dieser Wirtschafts- und Finanzkrise empfehle ich Ihnen meinen Essay: Demokratischer Marktsozialismus. Ansätze zu einer bedürnisorientierten sozialen Ökonomie.

 

(Käthe Kollwitz)

 

Was ist das für ein demo-kratisches System, das unfähig ist, den Mord-versuch vom 6. Januar 2021 an ihrer Demokratie zu ahnden?

Unter Nice-to-now habe ich für Sie Ausschnitte aus der Rede von Trump zur Wahl und den Sturm auf das Kapitol zusammen-gestellt.

 

Besuchen Sie auch meine Autorenseite Henning Schramm  auf Facebook. Ich würde mich freuen, wenn sie Ihnen gefällt.

 

Ich möchte mich auch über das rege Interesse an meiner Homepage mit über 450.000

Besucherinnen und Besuchern bedanken.

Identität und Differenz. Ein Plädoyer für eine offene Gesellschaft.

Henning Schramm

   Der substanzielle Kern aller rechtspopulistischen und autokratischen Ideologien und Identitätsvorstellungen basiert auf der Annahme, dass der Mensch wesentlich durch seine Zugehörigkeit zu einer völkischen Gemeinschaft bestimmt wird. Diese Zugehörigkeit wird in dieser Denkweise nicht nur durch Staatszugehörigkeit definiert, sondern ergibt sich aus der je spezifischen Volksgruppe (Ethnie), in die jemand hineingeboren wurde. Jedes Individuum wird mit seiner Geburt Mitglied in einer schicksalsbestimmenden Gemeinschaft und erlangt dadurch seine durch Historie und Tradition dieser Gemeinschaft bestimmte Wesenheit (Volksseele, Volkskultur, Volksempfinden). In einer solchen völkisch bestimmten Identitätsvorstellung werden die komplexen Lebenswelten und die jeweils individuellen Lebensentwürfe, die sich potenziell innerhalb einer Gesellschaft entfalten können, zurückgedrängt und dem national-völkischen Kollektiv untergeordnet. ‚Historische Vergangenheit‘, ‚Kulturelles Erbe‘ und ‚genuine Traditionen‘ erschaffen, so die Apologeten dieser populistisch-faschistischen Ideologie, einen ‚typischen Volks-charakter‘, der eng mit einem spezifischen geographischen Lebensraum verbunden sei.

Diese gegenwartsbeherrschende Identitätsvorstellung der Rechts-populisten in Deutschland (und anderswo) folgt einer Logik, die zu einer Reduktion von Komplexität und zu einer Differenzen einebnenden Homo-genisierung der Binnenstruktur der Gemeinschaft führt. Bestätigung und Stabilisierung des ‚Eigenen‘ durch Ausschluss des ‚Anderen‘, alles Fremden und Nicht-Dazugehörigen. Das ‚Eigene‘ muss entwickelt und gestärkt und vor dem ver- und zerstörenden Einfluss des Fremden geschützt werden. Der Einzelne soll sich so in eine überschaubare, Nähe vermittelnde Gemeinschaft eingebunden fühlen, in der er seinen (Lebens-)Sinn finden und seine dem Volkscharakter entsprechende Identität entwickeln kann. Die völkische Wesenheit spiegelt im Kern das, was seine Nation, seine Ethnie ausmacht und durch (Blut-)Abstammung übertragbar ist.

Feindbilder und Abgrenzungsmöglichkeiten, die unter den Kampf-begriffen ‚Multikulturalismus‘, ‚islamische Masseneinwanderung/Remi-gration‘, ‚Zerstörung der traditionellen Geschlechterrollen und Familie‘ in der Gesellschaft kursieren, dienen dazu, einerseits das Zusammen-gehörigkeitsgefühl zu konsolidieren und andererseits die Eigenkomplexität zu reduzieren, indem bestimmte Lebensweisen und Wertvorstellungen als wesensfremd und elitäres Denken und Verhalten diffamiert werden. Ziel ist, in dem komplexitätsreduziertem Binnensystem eine scheinbar heile, konfliktfreie Welt zu etablieren, die, wie es in dem Manifest der Identitären Bewegung Deutschlands (IBD) heißt, sich auf Werte wie Tradition, Heimat, Familie, Kultur, Volksstaat, Ordnung oder Sicherheit stützt. Eine ideale Welt, in der jedes Mitglieder dieser Gemeinschaft selbstbestimmt und fremder Kontrolle entzogen Orientierung finden, sich geborgen, verstanden und geschützt fühlen kann – gereinigt und abgeschirmt von allem Unbekannten, allem undurchschaubaren und irritierenden Fremden.

Gegründet wurde die Identitäre Bewegung (IB) ursprünglich 2003 in Frankreich von der rechtsextremen Gruppe ‚Bloc identitaire‘. Ende 2012 entstand auch in Deutschland eine völkische Gruppierung neurechter und rechtsextremer Aktivisten, die die Theorie des Ethnopluralismus, die insbesondere von Martin Sellner, dem ideologischen Kopf der Identitären Bewegung in Österreich vertreten wird, propagieren. Entsprechend dieses ideologischen Konzepts werden Ethnien nach Zugehörigkeit zu einem geschlossenen, ethnisch homogenen Kulturkreis definiert. Ihrem Selbstverständnis nach sind sie Verteidiger der ‚abendländischen Kultur‘, die in erster Linie vom Islam und dem Deutschen wesensfremden Ethnien sowie anderen globalen Einflüssen bedroht wird. Sie kämpfen für eine ‚kulturell-geistige Revolution‘ und sehen sich als Gegenbewegung zum demokratischen Liberalismus.

Die Grundzüge rechtspopulistischer Ideologien haben sich nicht nur in der rechten Szene Deutschlands, insbesondere der rechtsextremen AfD und ihrer Jugendorganisation, sondern europaweit und auch weltweit ausgebreitet. Die Bewegungen bilden in der Zwischenzeit ein dichtes Netzwerk, das die liberalen Demokratien weltweit nachhaltig untergräbt und bedroht.

Das Konzept einer homogenen, geschlossenen Gesellschaft, das alle Formen ethnischer, religiöser, sozialer, kultureller und ökonomischer Ausschlüsse und Abgrenzungen einschließt, führt zwangsläufig zu Rassismus und religiöser (Antisemitismus, Islamophobie) und sozialer Diskriminierung (wertvolle versus minderwertige Menschen). Es stellt die bestehenden Werte, Umgangs- und Lebensformen, die dem demokrati-schen Prinzip von Pluralität und Heterogenität sowie Toleranz und Akzeptanz von Minderheiten folgen, in Frage und stellt jenem das Prinzip der Homogenität, der Wesensgleichheit einer ethnologischen oder rassischen Gruppe entgegen, das per se Intoleranz und Nichtakzeptanz gegenüber dem ‚Anderen‘, dem Ausgeschlossenen impliziert.

Wegen der Unmöglichkeit die Grenzen sozialer Systeme exakt ziehen und im Zeitablauf konstant halten zu können, ist der ideologische Überbau des Identitätskonzepts prekär und instabil. Das ‚soziale Eigensystem‘ muss permanent durch willkürliche Normsetzungen und ethische Wertmaßstäbe, durch das Versprechen, bessere Lebens-verhältnisse herbeiführen zu können, durch verbindende Ritualisierungen, Lebensentwürfe und Verhaltensvorschriften stabilisiert und mithilfe entsprechender Narrativen gestützt werden. Das führt in Konsequenz zum autokratischen, nationalistischen Staat ohne Kontrollmechanismen, ohne Opposition, ohne funktionierenden Rechtsstaat, ohne Transparenz, ohne freie Medien, wo insbesondere auch Komplexität immer weiter reduziert und nicht mehr kompatibel zu den umgebenden komplexeren sozialen Systemen (Staaten/Nationen) ist. Das totalitäre soziale System verliert an Problemlösungskompetenz und kann nicht mehr angemessen auf innere und äußere Konflikte reagieren, was wiederum zu einer verstärkten Repressivität gegenüber Andersdenkenden führt – eine sich unaufhörlich drehende Spirale, die allen autokratischen, faschistischen Staaten gemein ist. Wer das Binnensystem stört oder zu zersetzen versucht, muss bekämpft werden – nach innen und nach außen. Die Arena des Kampf-geschehens spiegelt sich in Schlagwörtern wie „Migration/Umvolkung“, „Klimadiktatur“, „Corona-Diktatur“, „System-Medien“, “System-Parteien“, „Gender-Fluidität“, „Diktatur der Eliten des politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Systems“, um nur einige Schlachtfelder zu benennen. Ein solches Konzept der willkürlichen Setzungen und Ausgrenzungen ist mit Demokratie nicht vereinbar. Wer Gesetzgebung demokratisch nicht legitimierten Institutionen und Politikern  in die Hände gibt und wer die Befolgung von Gesetzen der Gewissensprüfung durch Einzelne anheimgibt, so der Staatsrechtler Theodor Eschenburg, endet bei der Demontage des demokratischen Staates.

Wenn Björn Höcke, der die AfD entscheidend prägt, auf einer Wahlkampfveranstaltungen (so am 14. Juli 2019) behauptet, dass die sogenannte Einwanderungspolitik, nichts anderes ist als eine von oben verordnete multikulturelle Revolution, die nichts anderes bezweckt als die Abschaffung des deutschen Volkes, und wenn derselbe sagt, dass ‚am Tag danach‘ der Kampf um die neue Ordnung beginnt, sollten wir, die Wählerinnen und Wähler, das ernst nehmen. Wer also die AfD wählt, kann, wenn er den Mut hat, seinen Verstand zu bemühen, wissen, was er tut. Jeder Wahlakt verlangt von jedem Wähler und jeder Wählerin verantwortliches Handeln. Es gibt für keinen, der die AfD wählt eine Entschuldigung. Jeder kann wissen, dass er mit der Wahl die Axt an die Demokratie legt – dies gilt auch dann, wenn die AfD nicht verboten ist. Der Rechtspopulismus in Deutschland, der die identitäre Konzeption in sich aufgesogen hat, zielt nicht auf demokratischen Wandel und Reformen innerhalb des Staatsgefüges, sondern offen und unverschleiert auf Auflösung der rechtsstaatlichen Verfasstheit des Staates und damit in Konsequenz auf die Abschaffung der Demokratie, was viele einflussreiche Rechtsradikale der AfD in ihren Reden, Manifeste und Büchern auch in keiner Weise bestreiten. 

Demokratie und ‚Demokratische Identität‘, die sich darin konstituiert, ist ein fundamentaler Gegenentwurf zu der faschistischen und rechts-populistischen Ideologie. Demokratie stützt sich auf gesellschaftliche Diskurse, in denen ausgehandelt und reflektiert wird, wie wir leben wollen, sowie auf demokratisch legitimierte Mehrheitsbeschlüsse. Demo-kratie respektiert einerseits die Verschiedenheit und Vielfalt der Subjekte dadurch, dass jede Person einen gleichbedeutenden und gleich-berechtigten Einfluss (Wahlen) auf politische Entscheidungen und damit seinen gesellschaftlichen Handlungsrahmen hat. Weil Mehrheitsbeschlüsse in der Demokratie auch für Minderheiten bindend sind, ist andererseits das Sanktissimum der Demokratie, dass Minderheiten entsprechenden Schutz genießen müssen. Liberale Demokratie zusammen mit dem Prinzip des Minderheitenschutzes ermöglicht nicht nur die Entfaltung diverser subjektiver Lebensentwürfe, sondern auch stabile, dem dynamischen Wandel der Gesellschaft adäquate und zukunftsfeste Identitätsbildungen sowohl der Subjekte in der Mehrheitsgesellschaft als auch innerhalb der Minderheitengruppen und zwischen Minderheits- und Mehrheitsgruppen.

Wenn es richtig ist, dass das Kernproblem der Identität in der Fähigkeit des Ichs liegt, angesichts des gesellschaftlichen Wandels und des subjektiv erfahrbaren wechselnden Schicksals Gleichheit und Kontinuität aufrechtzuerhalten, wie das der Sozialpsychologe Erikson formuliert hat, so ist nicht die rückwärtsgewandte Ausgrenzung und Abschottung, sondern die zukunftsgerichtete Dynamik innerhalb der Gruppen wie auch die Durchlässigkeit zwischen den Gruppen konstitutiv für Identitäts-bildung. Und zwar dadurch, dass die Menschen sich selbst aus ihrer biografischen Entwicklung heraus in ständiger Auseinandersetzung mit ihrer sozialen Umwelt wahrnehmen und verstehen und so ihre Wesenheit (Identität) entwickeln. Diese Identitätskonstitution verlangt die Reflexion des eigenen Selbst mit den Rückmeldungen des sozialen Umfelds und darüber hinaus die Notwendigkeit einer Ausbalancierung von Kontinuität und Veränderung in der eigenen Person. Im Menschen spiegelt sich aufgrund seiner biologischen Konstitution als auch aus dem interaktiven Prozess heraus das ‚Ganze‘ im ‚Besonderen‘ (was Hegel als ‚Weltgeist‘ ausformuliert hat). Das Individuum ist sowohl einzigartig als auch in Teilen gleich wie andere und verkörpert in dem Gleichen die gesamte Menschheit in sich. Nur so vermag der Mensch sich in der Auseinander-setzung mit anderen Menschen und der Welt als handlungsmächtig erleben. Identitätskonstitution ist ein dynamischer Prozess, die im Vertrauen auf die eigene Kompetenz unter wechselnden Lebensbe-dingungen ein Leben lang immer wieder neu angepasst werden muss.

Ich bin nicht Du. Doch jedes Ich ist vom Du beeinflusst und geprägt. Das Wesen des Ichs ist nicht gegeben (zum Beispiel durch die Ethnie), sondern muss sich in seiner ergreifenden und entwerfenden Existenz entwickeln, in Kommunikation mit anderen und im reflektiven Gespräch mit sich selbst. Nichts im eigenen Dasein ist gegeben. Alles ist veränder- und formbar. In einer so begriffenen Existenz gibt es keine Haltungen, keinen Zustand, keine Begehren, kein Sein, welche dem Zugriff bewusster Selbstbestimmung prinzipiell entzogen sind. Das Subjekt ist zu selbst-bestimmten Handeln, zur Freiheit der Wahl verurteilt, um zu werden, was es sein wird. Oder wie Sartre sagt: Die Essenz folgt der Existenz. Ich bin, sagt Ernst Bloch in seiner Tübinger Einführung in die Philosophie, aber ich habe mich nicht, ich werde erst. Der Mensch wird aus sich heraus, was er aufgrund seiner körperlichen und geistigen Ausstattung werden kann und wozu er den Willen hat, zu werden.

Diesem Wollen stehen Kräfte entgegen, die er überwinden muss, um werden zu können, was er will. Da der Mensch in seinem Kern ein soziales Wesen ist, ist der Grad seiner Freiheitspotenziale mit allen anderen Mitmenschen verknüpft. Das menschliche Bewusstsein ist geprägt durch sein Angewiesensein auf andere Menschen, durch die von der menschlichen Gemeinschaft hervorgebrachte geschichtliche Welt und durch seine ihm gegebene Sinnlichkeit, seine Erfahrung und Anschauung. Der Mensch ist in seiner Geschichtlichkeit und durch die Interaktion mit anderen Menschen kein in sich selbst eingeschlossenes System. Der Mensch ist nicht durch sich selbst, so Jaspers. Die Offenheit des Menschen ist ein Signum seiner Freiheit (im Gegensatz zum Tier und der Ideologie der Rechtspopulisten und Faschisten), und diese Offenheit kann er nur in einer offenen Gesellschaft zur Geltung bringen. Der Mensch muss suchend und versuchend erst werden, was er sein kann.

Die Überwindung der gesellschaftlichen Widersprüche und Dissonanzen und die erfolgreiche Bewältigung von Widerständen oder Konflikten ist tätige Erfahrung und wird vom Organismus belohnt durch positive Rückkoppelung und ‚Wohlempfinden‘, das in unserem Bewusstsein prä-sent ist. Diese Erfahrung ist jedoch keine Invariante, die sich immer gleich ereignet, sondern ein dynamisches Ereignis, ein permanentes Gespräch, in dem diese fortlaufend verändert wird. Als inneres und als äußeres Gespräch mit der Umwelt trägt diese Welterfahrung nicht nur zur Stabilität des Menschen bei, sondern sichert durch Teilung der akkumu-lierten Erfahrung mit anderen auch die Ordnung und Beständigkeit anderer in der Zukunft.

Der Einzelne wirkt in einer offenen Gesellschaft auf seine Mitmenschen ein und wird von ihnen fortwährend beeinflusst, wobei sich die Richtung und der Grad der ihm entgegenwirkenden und beeinflussenden Kräfte in der Zeitachse subjektiver menschlicher Existenz und der Verfasstheit der Gesellschaft verändert. Das Ausmaß, in dem Menschen in Unmündigkeit lebten, unterworfen wurden und sich anderen Menschen unterwarfen und nicht gewagt haben, ihre eigenen Begehren und Ansprüche zu artikulieren, war in der Geschichte und insbesondere mit Blick auf die jüngste nationalsozialistische Vergangenheit immens.

Betrachtet man die nationalistisch gefärbte, rechtsradikal-rassistische Szene heute, so scheint der in der Demokratie überwunden geglaubte Charakter, der sich einer Autorität unterwirft (den Adorno in den 50er Jahren als vorurteilsbeladenen autoritären Charakter beschrieben hat), der bestrebt ist, Verantwortung zu delegieren und der an das Heilsversprechen scheinbar entlastender Homogenität durch willkürliche Ausgrenzung von Menschen und Menschengruppen glaubt, wieder verstärkt in Erscheinung zu treten, insbesondere in den Ländern der ehemaligen DDR. Wenn dem so ist, drängt sich die Frage auf, was den Menschen dazu führt, sein Leben anderen Händen anzuvertrauen, statt es in die eigenen zu nehmen. Verstärkt gar die Delegierung von Verantwortung und die Aufgabe von Eigeninitiative Zufriedenheit und Wohlbefinden? Was würde das für das Zusammenleben, für die Demokratie und die Freiheit bedeuten?  Welche Konsequenzen hätte es für das politische System und die Gesellschaft, wenn es eine positive Korrelation zwischen Zufriedenheit einerseits und autoritätshörige Unterwerfung unter ein politisches System mit Wagenburgmentalität andererseits geben würde? Hat die autoritäre Rechte damit Recht, wenn sie behauptet, dass die Menschen erst in der Lage wären, eine ihnen adäquate stabile Identität und damit auch Zufriedenheit zu entwickeln, indem sie mit einem von fremden Einflüssen geschützten „Volkskörper“ eins werden und in ihm aufgehen? Es wäre das Ende der liberalen demokratischen Idee! Die Politikerinnen und Politiker, wie auch wir Bürger und Bürgerinnen sind aufgerufen, sich diesen Fragen zu stellen und Antworten zu finden, die den Antidemokraten die Luft zum Atmen nehmen.

Bei den Einen tradieren sich alte, verschüttet geglaubte Denkmuster und Verformungen aus der NS-Zeit und der DDR-Diktatur und leuchten an Stammtischen oder auch Abendbrottischen wieder auf, bei anderen scheinen die Konturen und Unterscheidungsmerkmale von Demokratie von Diktatur zu verblassen. Nicht nur, aber besondere bei Jugendlichen scheint in dieser Hinsicht hoher Nachholbedarf an politischer Bildung zu bestehen. Eine große Studie unter Schülern in Ost- und Westdeutschland der Freien Universität Berlin kam schon 2012 zu dem erschreckenden Ergebnis, dass nur etwa die Hälfte der Befragten den NS-Staat als Diktatur bezeichneten, bei der DDR war es sogar nur ein Drittel. Und das wiedervereinigte Deutschland hielten nur etwa 60 Prozent für eine Demokratie. Das Bildungssystem insgesamt, Schulen, Erwachsenen-bildungseinrichtungen und die vielfältigen Kulturinstitutionen sind aufge-fordert, sich diesem Thema endlich intensiv zu widmen und mehr und bessere Angebote zu machen, Defizite aufzuarbeiten, kritisches Bewusst-sein zu entwickeln und eine permanente gesellschaftliche Debatte zum Verhältnis von Diktatur und Demokratie zu moderieren.

In diesem Zusammenhang scheint es mir wichtig, nochmals zu betonen, dass jeder Organismus, dass alles Leben in engster Wechselbeziehung mit seiner (ihm äußerlichen und fremden) Umwelt verknüpft ist und dass Leben sich in der Überwindung einer zeitweiligen Disharmonie zwischen den inneren Antriebskräften eines Organismus und dessen äußeren Lebensbedingungen entwickelt. Das gilt auch für den Menschen. So ruft zum Beispiel Mangel an Wasser ein Gefühl von Durst hervor, was eine Dissonanz innerhalb des Organismus oder ein Ungleichgewicht des biologischen Systems mit der Umwelt signalisiert und eine entsprechende Korrektur und Anpassung bedarf. Leben strebt nach Gleichgewicht und Lösungen von Dissonanzen und ist dabei fundamental auf eine gelingende Interaktion zwischen Innen- und Außenwelt angewiesen. Veränderungen durchdringen und erhalten einander und geben dem Leben Form, Ordnung und Dauer.

Dissonanz ist die Wahrheit der Harmonie, sagt Adorno. Dissonanzen werfen ein Schlaglicht auf die Störfaktoren einer harmonischen Ordnung. Sie zeigen uns die Kraftquellen, die Harmonie und das Wohlempfinden verletzen. In der Disharmonie wird deutlich, was Harmonie ist, die Wahrheit der Harmonie wird ins Licht geholt und dieses Erkennen macht eine Bearbeitung der störenden Variablen der Harmonie erst möglich. Um an dem physiologischen Beispiel zu bleiben: Dissonanz (Durst) legt offen, was verborgen war (unzureichende Versorgung mit Wasser). Das Streben nach Wahrheit ist in diesem Sinn die Suche nach dem Verborgenen, ein immerwährender Kampf zwischen dem, was man sieht, und dem, was (noch) verborgen ist. Dies gilt nicht nur in biologischen, sondern genauso im Bereich geistiger Vorgänge. Dissonanz holt die Wahrheit ins Offene, in die Lichtung (wie Heidegger sich ausdrücken würde). Das ins-Licht-Geholte ist freilich nur ein Teil der Wahrheit des Daseinsganzen. Verbirgt der Lichtstrahl doch zugleich das, was im Schatten verborgen oder von dem Beleuchteten verstellt bleibt. So, wie Wissen immer unvollständig ist, so gewährt auch die Erklärung der Dissonanz immer nur einen ausschnitthaften Blick in die innere Struktur eines geordneten Ganzen.

Rechtspopulistische Identitätspolitik wie auch Faschismus ist Despotismus und Fundamentalismus in einem. Sie behaupten, die Wahrheit zu kennen, einer Wahrheit, die sich auf Vergangenheit und unbegründeten rassistischen Behauptungen und entsprechender Ideologien stützt. Sie schließen Alternativen aus, verbieten Zweifel und offenen Fragen über das Wie und Was des Lebens, sie ignorieren und verweigern den gesellschaftlichen Diskurs, um zu einer gemeinsamen Lösung zu kom-men.

Alle Errungenschaften, die sich die Moderne zugutehalten darf, basieren auf Ausdifferenzierungsprozessen. Entdifferenzierung ist zwangsläufig mit Regression verbunden. Die ausdifferenzierte, postnationale Gesellschaft ist auf ein kollektives Zugehörigkeitsgefühl zur Ausbildung einer natio-nalen Identität angewiesen. Für Deutschland im Besonderen gilt aufgrund der nationalsozialistischen Vergangenheit und Holocaust, dass dieses Zugehörigkeitsgefühl heute nicht mehr durch Bezug auf tradierte Nation, kulturelle Tradition oder durch ein bestimmtes Territorium gestiftet werden kann. Stattdessen schlägt Habermas schon 1974 in seinem Essay ‚Können komplexe Gesellschaften eine vernünftige Identität ausbilden?‘ eine breite Debatte darüber vor, was das von allen Geteilte heute sein könnte, aus der dann ein Bewusstsein eines gemeinsamen Verständi-gungszusammenhang erwachsen kann. Auf diesem Wege könnte sich in der komplexen, postnationalen Gesellschaft eine universalistische Identi-tät in kritischer Erinnerung der Tradition oder angeregt durch Wissen-schaft, Philosophie und Kunst diskursiv und experimentell bilden.
Wir dürfen uns allerdings nicht auf dem gegenwärtigen Wissen, das morgen schon obsolet sein kann, ausruhen und so tun, als ob das Ende der Geschichte erreicht worden ist. Das, was wir sind, sind wir aus der Summe dessen, was wir aus dem kritischen Erbe der Vergangenheit in uns tragen, wie unser Handeln in der Gegenwart formt und wie wir die Zukunft denken. Denken im Sinn eines denkenden Überschreitens, bei dem Vorhandenes nicht unterschlagen und nicht überschlagen wird, sondern das Neue als eines, das im bewegten Vorhandensein vermittelt ist, begriffen wird (Ernst Bloch).

Eine solchermaßen offene, postnationale Gesellschaft in Form einer debattierenden, diskursiven Demokratie gebiert Alternativen, lässt Raum für vielfältige Orientierungen und Lebensentwürfe. Sie ergreift Partei für die Zukunft und kann ihr Wissen über konkurrierende Identitäts-projektionen produktiv einbringen. Sie sichert die Interessen der Vielen statt die Einzelner und ist dem Versprechen verpflichtet, dem Volk ein gutes Leben in Freiheit und Gerechtigkeit zu ermöglichen. Liberale Demokratie fördert und erfordert eine Gemeinschaft, nicht mit dem Gesicht einer Herde oder einer Masse, sondern geprägt von intersubjektiver Solidarität, als vielstimmige Richtungseinheit der Willen, die von gleichem human-konkretem Zielinhalt erfüllt sind (Ernst Bloch).

Ein mündiges Subjekt behält bei aller Differenz zu den Nächsten und Fernsten somit immer auch deren Interessen und Perspektiven im Blick und ist in seinen Entscheidungen faktisch mitverantwortlich für die anderen Subjekte und darüber hinaus auch für die Gestaltung des gesellschaftlichen Gesamtgefüges. Das schließt ein, divergente politische und gesellschaftliche Situationen auszuhalten. Kein Lebensentwurf, kein Handeln, kein Existenzaspekt ist weder ethisch noch gesellschaftlich belanglos. Der individualisierte Imperativ, nämlich seine Existenz, sein eigenes Leben in Freiheit zu gestalten, fordert ebenso Respekt gegenüber Mitmenschen und tätige Solidarität mit Benachteiligten und Unterdrückten. Das, was man an sich selbst tut, soll man mit Blick auf die gesellschaftlichen Verflechtungen der Subjekte auch an den Mitmenschen tun, so die Kernforderung des kategorischen Imperativs von Kant. Und auch die zweite Forderung Kants hat bis heute nichts an Bedeutung eingebüßt: Habe den Mut dich deines Verstandes zu bedienen - insbesondere dann, wenn die liberale Demokratie in Gefahr gerät.

In einer offenen Gesellschaft sind Zweifel erlaubt, Meinungsver-schiedenheiten können in einem fairen Wettstreit öffentlich ausgetragen werden. Die Unversöhnlichkeit der Fronten in der Gesell-schaft und das sinkende Vertrauen in die demokratischen Institutionen signalisieren einen Mangel an Kraft und Mut, die Fronten mittels Verstand und Vernunft diskursiv aufzubrechen. Ja, es gibt viele Problem- und Konfliktfelder, die jeden unterschiedlich treffen, und mit Recht wird gefordert wird, diese zu lösen. Aber man sollte, wie im richtigen Leben auch, versuchen, die Kirche im Dorf zu lassen. Es darf nicht so getan werden, als ob die Komplexität der Welt außen vorgehalten werden könnte, indem man die Augen verschließt und an populistischen Fliegenfängern kleben bleibt.

Ein Staat bildet einen kleinen Teil innerhalb des Weltgeschehens und ist darin eingebettet. Wir, die Bürgerinnen und Bürger des Staates, können in der Welt nur bestehen, wenn wir auf die Fragen und Herausforderungen der uns umgebenden vielschichtigen, komplexen sozialen, politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und physischen Welt an uns kompatible Antworten finden, die zu beiderseitigem Nutzen sind. Die grundsätzliche Zustimmung zur ‚Demokratie als Regierungsform‘ ist mit 96,3% laut einer Umfrage des ‚World Value Survey‘ im Zeitraum 2017-2022 hoch. Es kommt also darauf an, dieses Potenzial durch entsprechendes Regie-rungshandeln zu nutzen und verlorengegangenes Vertrauen zurück-zugewinnen. Die liberale Demokratie kann und darf Fehler machen. Die Versäumnisse und Fehler können und sollen offen diskutiert und korrigiert werden. Das kann nur gelingen durch vernunftgesteuertes, nach vorne gerichtetes verantwortungsvolles und mutiges Handeln seiner Bürger-innen und Bürger und der Repräsentanten der politischen und parla-mentarischen Institutionen, indem sie die partikularen Interessen zu einem gemeinsamen Ganzen verbinden. Sie sind der Sauerstoff der Demokratie und die Bürgen für eine bessere Zukunft.


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