Willkommen auf meiner Website
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1933

 

hat »der Nationalsozialismus in der Demokratie mit der Demokratie die Demokratie besiegt.« So Hitler im Originalton.

Heute im Jahr 2024 ist die Demokratie in Deutschland und vielen anderen Staaten der Welt wieder bedroht und von populistischen Ideologien durchsetzt oder hat sich bereits hin zu illiberalen, autokratisch-populistischen und faschistischen Staatsformen entwickelt.

Es ist Zeit die Demokratie neu mit Leben zu füllen.
Lesen sie dazu mein Buch: DEMOKRATIE LEBEN!


und meine aktuellen Essays unter der Rubrik 'Essays und Meinung':

 

Wider den autokratischen Zeitgeist

 

Identität und Differenz
Ein Plädoyer für eine offene Gesellschaft


Eine kleine Philosophie der Lüge.
Die Lüge im öffentlichen Raum und ihre Folgen.

 

Das Buch öffnet die Augen für das, was wichtig ist im Leben.
"Wenn wir Neues schaffen wollen, müssen wir uns von dem bloß passiv-betrachtenden Denken, dem Zukunft fremd ist, lösen. Wir müssen den Willen zum Verändern der Welt,in der wir leben aufbringen und den Mut haben, unser Wissen und Denken auf die noch ungewordene Zukunft ausrichten."
(aus: GUTES LEBEN, S. 330)

 

Spannender histori-scher, biografischer Roman über Olympe de Gouges: Warum nicht die Wahrheit sagen.

»Ich bin eine Frau. Ich fürchte den Tod und eure Marter. Aber ich habe kein Schuld-bekenntnis zu machen. Ist nicht die Meinungs-freiheit dem Menschen als wertvollstes Erbe geweiht?«

So verteidigte sich Olympe de Gouges vor dem Revolutionstribunal in Paris. Eine kompromisslose Humanistin, eine sinnliche, lebenslustigeund mutige 

Frau, die der Wahrheit unter Lebensgefahr zum Recht verhelfen will und als erste Frau in der Geschich-te  auch für das weibliche Geschlecht die Bürger-rechte einfordert. Die Zeit vor und während der Französischen Revolution gewinnt in dieser historisch-authentischen Gestalt Lebendigkeit und atmosphärische Dichte.


Unteres Bild:
Ehrung von Olympe de Gouges bei der Eröffnungsfeier der olympischen Spiele in Paris 2024.

Piano Grande
Ein Roman über die Liebe in Zeiten der Krise.

Der Roman Piano Grande

zeichnet ein eindringliches Porträt des ersten Jahr-zehnt dieses Jahrhunderts, in dem die Finanz- und Wirtschaftskrise die Welt an den Rand des Abgrunds brachte.

Der Roman wirft auf dem Hintergrund einer großen Liebesgeschichte "einen sezierenden Blick auf die Gesellschaft und ihre Eliten..., die die Welt im Jahr 2008 in eine wirtschaftliche Kata-strophe geführt haben ..." (Wetterauer Zeitung)

 

Als vertiefende Ergänzung zu dieser Wirtschafts- und Finanzkrise empfehle ich Ihnen meinen Essay: Demokratischer Marktsozialismus. Ansätze zu einer bedürnisorientierten sozialen Ökonomie.

 

(Käthe Kollwitz)

 

Was ist das für ein demo-kratisches System, das unfähig ist, den Mord-versuch vom 6. Januar 2021 an ihrer Demokratie zu ahnden?

Unter Nice-to-now habe ich für Sie Ausschnitte aus der Rede von Trump zur Wahl und den Sturm auf das Kapitol zusammen-gestellt.

 

Besuchen Sie auch meine Autorenseite Henning Schramm  auf Facebook. Ich würde mich freuen, wenn sie Ihnen gefällt.

 

Ich möchte mich auch über das rege Interesse an meiner Homepage mit über 450.000

Besucherinnen und Besuchern bedanken.

 

Wider den autokratischen Zeitgeist

 Henning Schramm

 

Was ist das für eine Zeit, in der wir leben. Man kann diesen Satz sowohl mit einem Ausrufezeichen aber auch mit einem Fragezeichen versehen. Man kann mit Freude, Zuneigung, Staunen, Verwunderung, Abscheu oder Erschrecken auf die Zeit, so wie sie sich jedem einzelnen von uns heute darstellt, blicken. Unabhängig von dem subjektiven Empfindungen, stellt sich die Frage, in welcher Form der objektive Zeitgeist das Denken, das Handeln und die Fühlweise, die Mentalität der Menschen, die in dieser Zeit leben, beeinflusst. Was ist die Eigenart dieser Zeitepoche und als was stellt sie sich uns dar? Spiegelt der gegenwärtige Zustand der Gesellschaft nur ein kurzzeitiges Stimmungsbild, eine Modeerscheinung wider oder kündigt er eine epochale Zeitenwende an?

Die Frage nach der Eigenart, dem Charakter eines Zeitabschnittes umfasst mehr als nur die Frage nach den evidenten wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen und Institutionen einer Gesellschaft. Die Änderung des ‚Geistes‘ einer Zeitepoche oder seiner Wesenheit zeigt sich anfänglich zunächst unterhalb der manifesten gesellschaftlichen Evidenzen der Gesellschaft. Er schlägt sich zunächst als schwer fassbares subjektives Weltempfinden nieder, das sich in der weiteren Entwicklung dann auch in den gesellschaftlichen Institutionen manifestiert. Ein neuer Zeitgeist, oder wie Hegel es formuliert hat, der ‚objektive Geist‘, entwickelt sich insbesondere dort, wo traditionelle normative Orientierungen und Verhaltensstandards ihre Bindungskraft einbüßen. Er unterwandert, zersetzt oder ersetzt bestehende Traditionen, Normen, Werte, die Moralität und die Sittlichkeit des Staates dort, wo diese nicht mehr ausreichende Bestätigung finden oder ihnen die Anerkennung von relevanten Teilen der Bevölkerung entzogen worden ist. Goethe beschreibt den Zeitgeist als ein Dominanz- oder hegemoniales Verhältnis eines Teils einer Gesellschaft: „Wenn eine Seite nun besonders hervortritt, sich der Menge bemächtigt und in dem Grade triumphiert, daß die entgegengesetzte sich in die Enge zurückziehen und für den Augenblick im stillen verbergen muß, so nennt man jenes Übergewicht den Zeitgeist, der denn auch eine Zeitlang sein Wesen treibt (Philosophisches Wörterbuch, Kröner Verlag 1961).

Als frei floatende Geisteshaltung einer Gesellschaft entwickelt sich diese zunächst in kleinen sozialen Bewegungen, Protestgruppen und abgrenzbaren gesellschaftlichen Milieus, in denen neue Denkweisen, Lebensformen und Verhaltensweisen ausprobiert und gelebt werden. Einige dieser Denk- und Lebensformen kristallisieren sich im Zeitablauf als konsensfähige Vorstellungen über die legitime Staats- und Gesellschaftsordnung heraus. Sie verdrängen tradierte normative Annahmen, Verhaltenserwartungen, Moralvorstellungen, Tabus und Glaubenssätze und wirken sich regulierend auf die gesellschaftlich Ordnung und das Verhalten des Individuums aus, was sich schließlich nicht nur in einem Wandel der Gesetzesauslegung, sondern auch in einem Sinnwandel der Gesetze spiegelt. Ab diesem Stadium kann man von epochaler Wende des Zeitgeistes sprechen.

Der neue Zeitgeist befreit einerseits aus tradierten Bindungen, impliziert andererseits aber auch etwas Einschränkendes und Forderndes, insbesondere natürlich bei den Gruppen, die sich dem veränderten Zeitgeist nicht unterwerfen wollen. In diesen Umbruchzeiten, wo sich das neue noch nicht durchgesetzt hat und das alte noch wirkmächtig ist, tendiert die Gesellschaft zur Instabilität, zu Polarisierungen und emotionalen Eruptionen. Die historischen Formen des Rechts und des sozialem, ökonomischen und kulturell-geistigen Miteinanders in Staat und Gesellschaft prallen auf die individuell variierende Sphären des sich in der Entwicklung befindlichen subjektiven Geistes, der die Vorherrschaft anstrebt. Beide Sphären tendieren in dieser Entwicklungsphase dahin, nonkonformes Denken, Fühlen und Handeln auszugrenzen und die Freiheit des Denkens einzuschränken und das Wort zu verbieten. Um nochmals Goethe zu Wort kommen zu lassen. Er hat den Ausgang dieses Kampfes um Vorherrschaft prägnant in einem Dreizeiler so ausgedrückt (Faust I: 575-577): Was ihr den Geist der Zeiten heißt,/ Das ist im Grund der Herren eigner Geist,/ In dem die Zeiten sich bespiegeln.

 

Wir befinden uns fraglos in einer Zeit des Umbruchs, der Unsicherheit und der Aufweichung von traditionellen Bindungen in Bezug auf Parteien, auf soziale Milieus, Lebensformen und Hierarchien, hinsichtlich der Auflösungserscheinungen des tradierten Links-Rechts-Denkens in der politischen Landschaft und des Schwindens gewachsener demokratischer Gepflogenheiten mit einer Tendenz zur Akzeptanz oder Hinnahme von autoritären Denkansätzen. Die liberale Demokratie ist in Bedrängnis geraten. Der Geist der nach Macht strebenden Rechtspopulisten und Rechtsradikalen ist allenthalben spürbar.  Er zeigt sich in Form harter Facts, die sich uns in den Wahlergebnissen präsentieren, aber auch in Gestalt von weichen Faktoren wie Gefühlslagen und Stimmungen bezüglich der Einstellung zu autokratischem Verhalten, die in alle Poren Gesellschaft einsickern und schwer zu greifen sind.

Wenn rechtspopulistische Identitäten und der Zeitgeist des autoritären Denkens und autokratischen Handelns erst einmal in die Gesellschaft eingedrungen sind und sich eine rechtspopulistisch geprägte kollektive Emotion als Inkarnation des herrschenden Zeitgeists in der Alltagskultur etabliert hat, wird es schwer das Rad wieder zurückzudrehen. Gleich einem neuen Viruserreger beginnt er sein Zersetzungswerk im kleinen Kreis derer, die das Virus in sich tragen, dessen Gefährlichkeit aber leugnen und Verschwörungstheorien verbreiten, die von den populistischen Parteien wie der AfD und dem BSW transportiert und mehr und mehr von rechtskonservativen Strömungen adaptiert werden. Wie das Virus hat dieser sich über das Land legende Zeitgeist das Potenzial die Demokratie zu töten.

Demokratie ist eine Lebensform. Wenn also eine ausreichend große Zahl von Menschen glaubt, sein Leben in autokratischen Staatswesen besser gestalten zu können, so wäre der Niedergang der liberalen Demokratie vorprogrammiert. Aus Furcht vor Freiheit und selbstbewusster, autonomer Lebensgestaltung, aus Blindheit, die komplexe Realität zu erkennen, aus Mutlosigkeit, sich nach eigener Einsicht ein vernunftgesteuertes Urteil zu bilden, fliehen viele Menschen in eine illiberale, autoritär geprägte Lebensform, die mit liberaler Demokratie unvereinbar ist.

Es scheint so, dass viele (in den ostdeutschen Bundesländern sind das fast ein Drittel der Wahlbevölkerung) bevorzugt der Logik des populistischen Zeitgeistes und dessen Narrativ folgen. Dieses Narrativs behauptet: politische, ökonomische, soziale und kulturelle Eliten beherrschen den Staat und bereichern sich an ihm. Sie unterdrücken die Menschen, beuten sie aus, nehmen das Volk in Geißelhaft und machen es zum Opfer des Staates. Deswegen, so die weitere Argumentation, müsse der Staat und die institutionelle Ordnung, die diesen Staat trägt (Rechtsordnung, Verfassung, Parlament, Regierung, Medien) diesen Eliten entrissen und in die Hände des Volkes gelegt werden. Rechtspopulistische Führer beanspruchen für das Volk zu sprechen. Wer sich deren postuliertem ‚wahrem Volksstaat‘ entgegenstellt, ist ein erklärter ‚Feind‘ und darf und muss mit allen Mitteln bekämpft werden.

Mit ihrem Handeln und Denken, mit ihren Aufmärschen und ihren medialen Auftritten instrumentalisieren die autokratischen Rechtpopulisten und autoritären Rechtsradikalen die Demokratie, um sie zu zerstören und stattdessen ein ‚neofeudales Herrschaftsmodell‘ (Stephan Hebel) zu etablieren. Es ist also höchste Zeit den Geist rechtsradikaler Milieus und Gruppierungen ins Scheinwerferlicht zu stellen und Resilienz gegen diese Strömungen zu entwickeln, wenn wir die demokratisch geprägte Lebensform als erstrebenswert erhalten wollen. Die Demokraten können es sich nicht leisten, dem Schauspiel narzisstischer Selbstinszenierung, neoliberaler Attitüde, neofeudalem Herrschaftsanspruch und rassistischem Nationalismus, das die Rechtspopulisten vor unseren Augen aufführen, tatenlos zuzusehen. Gefordert ist ein Optimismus der Tat, um sich dem beschrieben Zeitgeist entgegenzustellen, gerade auch dann, wenn die Intelligenz zum Pessimismus neigt und mit dem Schlimmsten rechnet.

Wir haben in Deutschland das Glück in einem wohlhabenden Staat zu leben, dessen Zusammenleben von einer stabilen und von Menschlichkeit geprägten Verfassung geregelt ist. Unsere Verfassung in Form des Grundgesetzes liefert nicht nur den Gestaltungsrahmen und Geist gemeinschaftlichen Handelns, sondern sie ist gleichzeitig auch eine Aufforderung an alle, sich auf die gegebene Verfassungswirklichkeit einzulassen und die Gesellschaft im Geist dieser Verfassung zum Wohle aller gemeinsam und in gegenseitigem Respekt zu gestalten und aufkommende Probleme kooperativ und vernünftig zu regeln. Der Verfassungsstaat ist Rechtsstaat und Sozialstaat ebenso wie ein ‚state of mind‘, in dessen Rahmen sich das Denken und Fühlen einer Person entwickeln kann, das wiederum auf die Verfasstheit des Staatsgefüges und seiner Institutionen zurückwirkt.

Eine wichtige Voraussetzung für den Erhalt demokratischer Kultur ist auf der einen Seite ökonomische Stabilität und damit verbunden das Versprechen eines guten Lebens, sowie ein hohes Maß an Verständigungsbereitschaft und Kompromissfähigkeit der Politiker und politischen Parteien und der Bürger, die für eine liberale Demokratie eintreten. Auf der anderen Seite bedarf es in Staat und Gesellschaft einer Stärkung der Resilienz gegen autokratischen Populismus und die radikale Rechte. Um zu verstehen, auf was das Augenmerk bei der Stärkung der Resilienz gelegt werden muss, ist es sinnvoll, den Inhalt und Geist von Bewegungen wie Populismus, Rechtsradikalismus und Faschismus und Nationalsozialismus, der sich über die Demokratie zu legen droht, nochmals ins Bewusstsein zu rufen.

 

Man muss die Demokratie rupfen wie ein Huhn, Feder für Feder, so dass Niemand es merkt und es nicht schmerzt; die Masse muss nicht wissen, sondern glauben; sie muss sich unterwerfen und lenken lassen‘, forderte Mussolini einst. Populisten und radikale Rechte wissen, was sie tun. Die Schmerzen der Unfreiheit sollen möglichst erträglich bleiben. Sie kommen mit eher kleinen Schritten daher. Sie leben von der Angst der Menschen. Angst tut weh. Sie geben vor, die Menschen von der Angst zu befreien, die sie entfacht haben, und präsentieren sich mit einfachen Lösungen als Retter, die alle Vielfalt einebnen. Der autokratische Populismus lebt vom Glauben an einen Heilsbringer und eine bessere Zukunft, die nur dieser gewährleisten kann. Er lebt von der Illusion, in der Minderheitenmeinung, nämlich der des Führers, sei die Mehrheitsmeinung des Volkes aufgehoben. Er behauptet für das Volk zu sprechen, indem er sein persönliches Weltbild verkündet. Um seine persönlichen Machtansprüche zu befriedigen, ist er bereit, alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen. Er entwickelt sein eigenes System an Rechten, ohne sich um die Rechte anderer zu scheren. Charakteristisch ist eine mit politischen Absichten verbundene, auf Volksstimmungen gerichtete Themenwahl und Rhetorik. Dabei geht es mal um die Erzeugung bestimmter Stimmungen, mal um die Ausnutzung und Verstärkung vorhandener Stimmungslagen oder vorhandener Ressentiments zu eigenen (macht-)politischen Zwecken. Das übergeordnete Ziel der von Opportunismus geprägten Politik ist, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen zu gewinnen.  

Die Ideen, Bewegungen, Programme und Aktionen der radikalen Rechten richten sich, wie das Jürgen Kocka[i] ausgeführt hat, gegen die Normen und Institutionen der liberalen Demokratie, gegen universale Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Legitimität von Vielfalt; sie goutieren auf populistische, oft völkische und fast immer nationalistische Weise die Massen und treten zugleich antielitär auf und propagieren ein Staatsverständnis, das, falls erfolgreich, zu autoritären und diktatorischen Politikformen führt. Speziell in Bezug auf die Begriffe Faschismus oder Nationalsozialismus müssen diese Charakteristika ergänzt werden durch eine Gewaltkomponente: die Akzeptanz, Befürwortung oder Anwendung von Gewalt bei der aggressiv-expansiven Verfolgung außenpolitischer Ziele und/ oder bei der Bekämpfung von Feinden im Inneren.

 

Dass der Erhalt der demokratischer Lebensform nicht selbstverständlich ist, zeigt ein kurzer Blick in die Geschichte. Wohlwissend, dass sich Geschichte nicht wiederholt, kann dieser Blick doch wichtig sein, um Gegenwart und mögliche Zukunft (im Sinne Kierkegaards, dass das Leben vorwärts gelebt und rückwärts verstanden wird) besser verstehen und einordnen zu können.

In den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts gehören Klassenspannungen und -unterschiede zwischen Proletariat und Bürgertum, Kämpfe zwischen links und rechts, Kapitalismus versus Sozialismus zur damaligen Lebenswelt. Beim ersten Aufkommen der NS-Bewegung erhielt sie, ähnlich wie heute, Zustrom von zu kurz gekommenen, prekär lebenden, sozial und ökonomisch unterprivilegierten Menschen, von verunsicherten Mittelständlern und sozialökomisch fluiden Existenzen in Stadt und Land, die sich sozial gefährdet oder von Abstiegsängsten geprägt sahen. Lange Zeit blieb die nationalsozialistische Wählerschaft jedoch eine kleine Minderheit. So errang die NSDAP noch im Jahr 1928 nur 2,6% der Stimmen bei der Reichstagswahl, entwickelte sich dann aber sprunghaft zu einer klassenübergreifenden Volksbewegung. 1930 erreichte sie 18,3% und 1932 bereits 37,4% der Stimmen, eine Größenordnung, an die sich die Wahlergebnisse der AfD bei der Landtagswahl in Thüringen im Jahr 2024 annähern. Der Durchbruch zur Macht gelang der NSDAP wegen der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage durch die Weltwirtschaftskrise, infolge der beginnenden massiven Unterstützung durch die Eliten des Großkapitals, der Großlandwirtschaft, der Beamtenschaft und des Militärs, die sich mehr und mehr auf die Seite der Nazis stellten. Der Stimmungsumschwung zugunsten extremer  Parteien ereignete sich auf dem Hintergrund einer verunsicherten und nach Orientierung suchenden Bevölkerung als Reaktion auf die umwälzenden politischen und gesellschaftlichen Veränderungen nach dem Ersten Weltkrieg und einer instabilen demokratischen Kultur in der Gesellschaft, in der zunehmend antidemokratischen Strömungen an die Oberfläche gespült wurden, die zur Verunglimpfung und zur ablehnenden Haltung des parlamentarischen Systems und ihrer Institutionen generell führten.

 

 Einige dieser Punkte kommen auch heute wieder zum Tragen. Mit der von den Siegermächten initiierten gesellschaftlichen und kulturellen Liberalisierung und Demokratisierung nach dem Zweiten Weltkrieg, tat sich die Bevölkerung der Bundesrepublik bis Ende der 60er Jahre schwer. Erst ab den 70er und 80er Jahren begannen sich die Menschen in der Bundesrepublik mit der Demokratie und dem damit verbundenen liberalen Gedankengut anzufreunden. In der DDR entstand in dieser Zeit ein autoritärer Staat, in dem demokratisches Denken nicht eingeübt werden konnte. Den Menschen der neuen Bundesländer wurde 1989 die Demokratie übergestülpt. Sie hatten kein Wahl, wie sie leben wollten und die Zeit, Demokratie zu leben und ein umfassendes demokratisches Bewusstsein zu entwickeln, das sich aus der Gesamtheit der Erkenntnisse, der Gedanken und Gefühle, innerer Wertvorstellungen, Willensrichtungen, vergangener Erfahrungen und zukünftiger Erwartungen bildet. Inwieweit heute das demokratische Bewusstsein in Gesamtdeutschland gefestigt ist und den Geist der Zeit bestimmt, wird sich in den nächsten Monaten und Jahren herausstellen.

Die heutigen Herausforderungen erinnern an die Zeit der 20er und 30er Jahre des Deutschen Reiches. Wie damals bestimmen fundamentale wirtschaftliche, soziale und kulturelle Veränderungen seit den 1980er Jahren die Bundesrepublik. In jüngster Zeit tritt der Wandel der Geschlechterverhältnisse in das Bewusstsein großer Teile der Bevölkerung, Social-Media-Kanäle überfluten die Nachrichtenwelt und beeinflussen mit ihrem emotionalen Grollen, ihren Lügen und Falschinformationen massiv die kulturellen und politischen Narrative. Die rasante Globalisierung und die daraus hervorgehende verstärkte Migration und wirtschaftliche und kulturelle Verunsicherungen und Abhängigkeiten wecken reale oder befürchtete Abstiegs- und Abhängigkeitsängste, die von Populisten befeuert werden. Die bedrohende Umwelt- und Klimakrise, zu deren Bewältigung eine machtvolle, die gesamte Menschheit repräsentierende Institution als handlungsfähiges Subjekt notwendig wäre, die aber nicht existiert und deswegen als kaum bewältigbar erscheint, verstärkt die Verunsicherung. Die sich aus der Umweltkrise ergebende Notwendigkeit einer Transformation und die insgesamt zunehmende Komplexität und Vielfalt der Gesellschaft erscheint vielen Menschen als Überforderung, die populistische Parteien und Bewegungen zu instrumentalisieren versuchen, indem sie mit simplifizierenden, mythisierenden oder eindeutig falschen Informationen und Argumenten eine einfache, überschaubare Welt versprechen.

Im 21. Jahrhundert steht auf diesem Hintergrund die Frage im Raum, ob die Demokratie in Deutschland so gefestigt ist, dass sie den Herausforderungen standhält, oder ob sich der antidemokratische Zeitgeist weiter ausbreitet und rechtsradikale Bewegungen die Oberhand gewinnen, wie das in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts zu beobachten war. Der ‚Trumpismus‘ in den USA zeigt uns die Kristallisationspunkte einer heraufziehenden Autokratie, wie sie sich auch bei uns und anderen Staaten weltweit etablieren könnte:

Populistische Mobilisierung der Arbeiterschaft und unzufriedener, abgehängter Bevölkerungsteile; Unterstützung der rechtspopulistischen Bewegung durch Teile der Eliten; ein Nationalismus, der Unterschiede zwischen Klassen und ethnischen Gruppen zu überwölben versucht oder aber entsprechende Ethnien und unerwünschte Minderheiten aus der Staatsgemeinschaft ausschließt; Etablierung eines Staatskapitalismus und entsprechende Führung des Staates als ein kapitalistischen Unternehmen.

 

Es ist unübersehbar, dass sich der Kapitalismus, der sich in den USA in Reinform zeigt, weltweit ausgebreitet und dabei an innerer Diversität zugenommen hat. Er bildet den Humus, auf dem sich die weitere politische Entwicklung abspielen wird. Der Kapitalismus erheischt für sich das Versprechen, dass eine Vergesellschaftung oder Vergemeinschaftung der Wirtschaft, dass die Aufhebung des Privateigentums, dass also die Durchsetzung sozialistischer oder sozialdemokratischer Alternativen nicht zu mehr Wohlstand für die breite Bevölkerung, zu mehr Gerechtigkeit und zu Freiheit für alle führen würde. Er versucht so, die Arbeiterschaft, Unzufriedene und prekäre Populationen an sich zu binden und gemeinschaftlich orientierte Bewegungen und Sozialstaatsprinzipien zu diskreditieren.

Dahinter steht die Logik, dass nichts besser dem Gemeinwohl dienen würde als das Wohlergehen ‚der Wirtschaft‘, so als ob der unregulierte, marktradikale Kapitalismus und sein an den Kapitalinteressen orientiertes unternehmerisches Handeln mit den gemeinwohlorientierten Interessen des Staates Hand in Hand gehen würde. Der Staat hat entsprechend dieser Logik der Ökonomie zu Diensten zu sein und nicht die Ökonomie dem Staat und seinen Bürgerinnen und Bürgern. Die Folgen eines solchen sozialdarwinistischen Wirtschaftsmodells kann man in Argentinien und dem Präsidenten Milei beobachten: 56% der ArgentinierInnen sind arm, fast ein Drittel extrem arm, die Renten sind seit Jahresbeginn 2024 um mehr als ein Drittel gesunken.

Dieser marktradikalen Logik folgend beauftragte auch Trump die Radikalkapitalisten Vivek Ramaswany und Elon Musk (der nicht nur Herrscher der Media-Plattform X ist, sondern mit Space X auch das amerikanische Raumfahrtprogramm beherrscht und 60% der im Weltraum befindlichen Satelliten besitzt) mit der Leitung der ‚Abteilung für effizientes Regieren‘. Das ist so, als ob man den Fuchs zum Aufseher des Hühnerstalls macht.

Trump beglaubigte damit nicht nur das bereits angesprochene ‚neo-feudale Herrschaftsmodell‘, sondern bestärkt auch die kleinen und großen Rechtspopulisten und autokratischen Netzwerke in aller Welt, die sich in ihrem Handeln die USA als Vorbild nehmen werden. In den USA werden mit dem geplanten Maßnahmenpaket von Trump demokratische Prinzipien über Bord geworfen, die Auflösung der Gewaltenteilung offen angestrebt und neben der Exekutive wird auch die Legislative schamlos als eine Agentur des Marktes und des Geschäftslebens degradiert werden.

In Deutschland sind wir noch nicht so weit, aber tendenziell scheinen auch hierzulande rechtsradikale und konservativen Kräfte den Regierungsapparat in erster Linie als eine Agentur der Wirtschaft zu verstehen und für eigene Interessen nutzen zu wollen. Entsprechend des kapitalistischen Prinzips versuchen der FDP-Vorsitzende Christian Lindner und  Friedrich Merz, der Kanzlerkandidat der CDU, der seinen Reichtum bei Blackrock, einer der einflussreichsten Kapital-Verwertungsgesellschaften der Welt, erworben hat, Deutschland stramm kapitalistisch und marktradikal auszurichten. Es steht zu befürchten, dass die der Demokratie inhärente Forderung nach Gemeinwohlorientierung des Staates dabei ins Hintertreffen geraten wird.

Unübersehbar ist der Trend, dass die Verfügungsgewalt über Reichtum und über Menschen, die ihn erarbeiten, (wieder) in vielen Ländern eins mit der politischen Macht wird. Ganz im Sinne von „l’état c‘est moi“ des Sonnenkönigs Ludwig XIV. greift der autokratische Populismus diesen Gedanken auf und verhilft der kapitalistischen Ideologie zu einer Renaissance.

Wenn es, wie viele Analytiker sagen, richtig ist, dass materielle und soziale Sicherheit wichtige Kriterien einer Wahlentscheidung sind, lohnt es sich die gegenwärtige Entwicklung in Richtung eines marktradikalen Kapitalismus und dessen Prinzipien und Ziele nochmals daraufhin zu durchleuchten, inwieweit sie diesen Kriterien und darüber hinaus demokratischen Grundsätzen genügen oder diesen entgegenstehen. In hochgradig kapitalistisch organisierten Gesellschaften ist die Ökonomie zum Zweck geworden, was lediglich Mittel sein sollte. Herzstücke des Kapitalismus sind die Dominanz des Privaten gegenüber des Gemeinschaftlichen, Eigeninteresse, Profitoptimierung und die Existenz von möglichst unregulierten Märkten, in denen sich die Marktteilnehmer ungestört zum Nutzen eigener, privater Interessen tummeln können. Der Kapitalismus produziert, falls er nicht entsprechend reguliert wird, extreme materielle und soziale Ungleichheit. In diesem Wirtschaftsfundamentalismus wirken die sozialen Bindungskräfte wie Solidarität und Gemeinwohlorientierung wie Sand im Getriebe. In diesem Kampf aller gegen alle gibt es nur Sieger und Besiegte, Amboss oder Hammer. Es ist ein kennzeichnendes Merkmal der Funktionsweise des Kapitalismus, so die Analyse von Oskar Negt, dass Menschen angestachelt werden, ihre Ich-Bezogenheit möglichst bedenkenlos in Wirtschaftskraft umzusetzen. Profitstreben und die Sicherung des eigenen Gewinns auf Kosten der Niederlage anderer. Die Schwachen und Ineffizienten werden beiseitegedrängt. Es liegt auf der Hand, das Verhaltensmuster, die sich an diesen Zweck-Mittel-Prinzipien orientieren, nicht die Herausbildung einer Persönlichkeit fördern, die sich selbst Zweck ist und die ihren Wert in sich selbst sieht.

Das marktradikale, autokratisch-kapitalistische Ordnungsprinzip, das die Natur wie auch die Menschen nur als Ressource betrachtet und ausbeutet, kann keine Basis für eine sinnvolle persönliche, sinnstiftende Lebensperspektive und allgemeinwohlorientierte, menschenwürdige Gesellschaft sein. Es öffnet weit die Tür für rechtspopulistische Rattenfänger, die die nach Identität und Sinn suchenden Menschen für ihre eigenen Zwecke auszunutzen versuchen. Es erodiert die Identität der Gesellschaftsmitglieder und ist mit demokratischen Prinzipien unvereinbar. Der ebenfalls von Oskar Negt eingeführte Begriff der ‚Erosionskrise‘, die durch das kapitalistische Prinzip ausgelöst wurde, macht dies deutlich. Krisen diesen Typs verändern die Subjekte in ihren wichtigsten Lebensäußerungen, in ihrem Arbeitsverhalten, in ihrem Selbstwertgefühl, in ihren Wert- und Bedürfnisorientierungen und führen zu einer Norm- und Orientierungslosigkeit und zu Gefühlen der Vereinsamung und Verlassenheit, die aus Macht- und Hilflosigkeit Angstzustände hervorrufen können. Es ist ein Zustand, in dem alte Normen nicht mehr gelten, die regulierende Kraft der Tradition teilweise oder ganz außer Kraft gesetzt ist, aber neue Handlungsorientierungen, die Sicherheit im Alltag verbürgen, noch nicht gefunden sind. Das ist der Zustand, in dem sich Deutschland und große Teile unserer Welt befinden oder im Begriff sind, diesen Entwicklungsweg einzuschlagen. In diesem Zusammenhang ist bezeichnend, dass bei einer entsprechenden Umfrage in Deutschland 53,4 Prozent der Bevölkerung angaben, dass ihr Sicherheit wichtiger als Freiheit ist.

Demokratie und Kapitalismus stehen in einem ständigen Spannungsverhältnis zueinander. Die sozial-liberale Demokratie und marktradikaler Kapitalismus folgen unterschiedliche Logiken. Der marktradikale Kapitalismus ist dem Staatsgefüge gegenüber prinzipiell indifferent. Deshalb können auch Anti-Demokraten mit dem Kapitalismus koexistieren, wie die Beispiele Russland oder China mit ihrem oligarchischen, autokratischen Staatskapitalismus zeigen. Zwischen eigennützigem kapitalistischen Profitstreben und demokratischer Allgemeinverpflichtung reißt eine große Kluft auf. Kapitalismus lebt von Ungleichheit und ungleichen Eigentumsverhältnissen und Gewinnmaximierung, die Demokratie von prinzipieller Gleichheit und gleichen Rechten, von selbstbestimmten, individuellen Freiheitsräumen, Minderheitenschutz und Schutz der sozial Schwachen, sowie demokratisch gesteuerter Verteilungsgerechtigkeit hinsichtlich der erwirtschafteten sozial-psychologischen ('Wohlbefinden') und materiellen ('Wohlstand') Werte.

Der Kapitalismus kann, wie gesagt, in einer Diktatur ebenso wie in einer Demokratie existieren. In der Demokratie ist der Staat jedoch verpflichtet, den Markt durch staatliche Eingriffe zum Wohle der Menschen zu regulieren. Die Demokratie wird sozial sein müssen, oder sie wird nicht sein. Sozial-liberale Demokratie bedeutet nichts anderes, als dass Herrschaft einer begünstigten Minderheit über eine benachteiligte Mehrheit ein Ende gefunden hat, und deren Bedürfnisse nach Gemeinschaft, Stetigkeit, Achtung und Selbstwert befriedigt werden. Soziale Demokratie zielt auf das, was Aristoteles mit Bezug auf Freundschaft einmal formuliert hat: Wohlwollen, Eintracht und Wohltun. Oder auch dem, was die Französische Revolution auf ihre Fahnen geschrieben hat: Freiheit, Gerechtigkeit, Brüderlichkeit. Der soziale und demokratische Staat ist also aufgefordert, Verhältnisse herzustellen, in denen der Mensch weder ein erniedrigtes noch geknechtetes noch verlassenes Wesen ist. Notwendig ist eine ‚gemeinwohlorientierte Ökonomie‘ (wie das Christian Felber propagiert hat), in der das Wirtschaftsziel nicht ‚Profit‘ sondern ‚Gemeinwohl‘ ist und ‚Konkurrenz‘ durch ‚Kooperation‘ ersetzt wird.

In der marktradikalen Gesellschaft, in der alle Menschen Unternehmer einer Ich-AG sein sollen, steht jeder gegen jeden. Die sozialen Bindekräfte der Menschen werden allmählich zerbröseln und die Errungenschaften der Aufklärung wie Solidarität, legislative und distributive Gerechtigkeit, Selbstbestimmung des autonom denkenden, aus eigener Einsicht urteilsfähigen Menschen und Menschenwürde drohen ins Abseits gedrückt zu werden. Wir leben in einer Zeitepoche, in der die Idee des marktradikalen Kapitalismus zu einer die ganze Gesellschaft bestimmenden Ethik und Weltsicht geworden ist. Auf diesem Hintergrund muss im Mittelpunkt jeder demokratieorientierten Politik, die den Rechtspopulismus in die Schranken zu weisen vermag, mehr denn je der Mensch, dessen Würde und Einzigartigkeit, dessen Wohlergehen und dessen physisches und psycho-soziales Wohlempfinden stehen. Demokratie ist der Menschlichkeit verpflichtet und dem Menschen zugewandt. Der natürliche Feind der Demokratie ist die Entwertung und das Zur-Ware-werden der Menschen durch unregulierten Kapitalismus und in dessen Fahrwasser auch durch die zunehmend kapitalistisch-autokratisch strukturierte Cyber- und Medienlandschaft, wie das heute bereits in den USA zu beobachten ist.

 

Mit Blick auf die populistischen und autoritären Tendenzen und dem damit einhergehenden Gefährdungspotenzial der Demokratie stellt sich die Frage nach dem Weg aus dem marktfundamentalistischen Kapitalismus und seinem tendenziell neo-feudalem Herrschaftssystem in radikal neuer Art und Dringlichkeit. Das immer schon vorhandene Spannungsverhältnis zwischen Kapitalismus und Demokratie ist mit der Verdrängung der Realökonomie hin zur Finanzindustrie und der Finanz- und Meinungsmacht des Silikon-Valley-Unternehmertums einer zunehmenden Zerreißprobe ausgesetzt. Jürgen Habermas beschreibt diesen Prozess mit den Worten: Die Systemimperative des verwilderten Finanzkapitalismus, den die Politiker von der Leine der Realökonomie entbunden haben, und die Klagen über das uneingelöste Versprechen sozialer Gerechtigkeit, die ihnen aus den zerberstenden Lebenswelten ihrer demokratischen Wählerschaft entgegenschallen, driften krisenhaft auseinander.

Die Demokratie wäre schlecht beraten, wenn sie sich untrennbar mit der Logik der Kapitalinteressen verknüpfen würde. Es bliebe ihr dann nichts anderes übrig, als sich diesen ‚Systemimperativen des verwilderten Kapitalismus‘ zu unterwerfen, der, so die dahinterstehende Hypothese, nicht den Erwartungen und Bedürfnissen der Wähler zu entsprechen vermag. Als Staatsform würde die Demokratie scheitern und den Populisten das Feld überlassen, wenn sie nicht mehr die Interessen der vielen, sondern nur die Einzelner, insbesondere den Eigentümern von Kapital mit ihrer politischen Macht, zu sichern vermag, ohne dem Volk ein gutes Leben versprechen zu können. Je mehr sich der Staat aus der Fürsorge für das Leben der normalen Menschen zurückzieht und zulässt, dass diese in politische Apathie versinken, desto leichter können politische Demagogen und an Profit interessierte Wirtschaftsverbände diesen Staat, mehr oder minder unbemerkt, zu einem Selbstbedienungsladen machen, so Colin Crouch, ein wichtiger Theoretiker der postdemokratischen Gesellschaft.

Die kapitalistische Wirtschaft praktiziert gegenwärtig eine Art Sozialismus, indem sie sich die Infrastruktur für reibungsloses, effektives und profitables Wirtschaften, sowie die Kosten (wie zum Beispiel Umweltkosten) des kapitalistischen Wirtschaftens von Einkommens- und Lohnempfängern bezahlen lässt. Das bedeutet eine Sozialisierung der Rahmenbedingungen des kapitalistischen Wirtschaftens, während die Profite privatisiert werden und allein in die Kassen der privaten Eigentümer und Vermögensbesitzer fließen. Auf diesem Hintergrund ist der Staat aufgefordert, sowohl das Marktgeschehen als auch das unternehmerische Handeln zu demokratisieren und einer sozialstaatlichen Kontrolle zu unterwerfen.

Ein zentrales Versprechen der Demokratie als Staatsform ist ‚Gutes Leben‘[ii] zu ermöglichen. Dazu gehört neben der Sicherung von individueller Freiheit, sozialer und öffentlicher Sicherheit, von Gerechtigkeit und Gleichheit auch materieller Wohlstand. Und dass Demokratien zu letzterem in der Lage sind, belegen die Forschungen der Preisträger des diesjährigen Nobelpreises für Wirtschaft über den ‚Wohlstand der Nationen‘. Sie zeigen, dass funktionierende Demokratien einen höheren wirtschaftlichen Wohlstand generieren als alle anderen Staatsformen. Neben der Realisierung von Wohlstand kann gutes Leben in einer funktionierenden Demokratie nur gelingen, wenn im Rahmen einer gemeinwirtschaftlichen Ordnung gleichrangig soziale, politische, ökonomische, ökologische und kulturelle Gesichtspunkte verknüpft werden. Demokratie wird sozial sein müssen oder untergehen und sie bedarf einer demokratieadäquaten Ökonomie. Eckpunkte einer solchen ökonomischen Ordnung wären:

- Einbindung des Marktes in strikte Regeln und soziale Bezüge. Eine soziale, gemeinwohlorientierte Marktwirtschaft also, die sich nicht selbst überlassen werden darf, sondern durch den Staat bewusst sozial gesteuert werden muss.

- Verhinderung wirtschaftlicher Macht möglichst bereits im Entstehungsstadium, da, wie die weltweiten Beispiele zu genügen zeigen, einmal entstandene ökonomische Machtzentren kaum kontrolliert werden können, sie aber ab einer gewissen Größenordnung dazu tendieren, durch ihre finanzielle und wirtschaftliche Macht, durch Lobbyismus und personelle Verknüpfungen, selbst Teil jener politischen Macht zu werden, die sie eigentlich zum Wohle des Gemeinwohls regulieren soll.

- Persönliche Haftung der ökonomischen Entscheidungsträger, im Sinne ›Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen‹, da ansonsten ein verantwortliches ökonomisches Handeln nicht erwartbar ist.

Dieser Ansatz impliziert nicht die Aufgabe oder Verteufelung des kapitalistischen Wirtschaftens, sondern eine gebändigte Form eines gemeinwohlorientierten Kapitalismus im Sinne einer sinnvollen Vermischung von staatlichen und privaten wirtschaftlichen Tätigkeiten[iii]. Nicht jede Wirtschaftstätigkeit soll und muss über Wettbewerbsmärkte organisiert werden, insbesondere dann nicht, wenn etwa Monopol- oder Oligopolbildungen drohen. Insbesondere muss der Staat in den Bereichen der Grundsicherung und -versorgung die Initiative ergreifen und sie den privat-kapitalistischen Profiterwartungen entziehen. Wir benötigen einen Infrastruktursozialismus, der unter anderem die elementaren Grundbedürfnisse als öffentliche Güter den Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stellt. Zu nennen wären hier zum Beispiel: Wasserversorgung; Mobilität, wie Straßenbau, öffentlicher Verkehr (Bahn und Schienennetze); Gesundheit; Bildung; Wohnen; Energieversorgung; Umweltschutz und Maßnahmen gegen den Klimawandel; Infrastrukturinvestitionen; Ausbau der Rekommunalisierung von Angeboten kommunaler Dienstleistungen.

 

Entscheidend wird sein, dass sich bei den Wählerinnen und Wählern ein Bewusstseinswandel entfaltet und die Erkenntnis reift, dass es Alternativen zur bestehenden Ordnung gibt, die die Chance für ein gutes Leben bietet. In der Demokratie steht es den Bürgerinnen und Bürgern prinzipiell frei, sich für die rechtsextrem-nationalistische AfD, für Trump, einen pathologischen Narzissten, oder Orban, einen autoritären Antidemokraten – oder aber sich für die liberale Demokratie zu entscheiden. Der Staat ist aufgefordert, demokratische Errungenschaften und das Versprechen von gutem Leben spürbar und sichtbar zu machen, so dass sie in das politische Bewusstsein eindringen können und entsprechendes demokratisches Handeln zu initiieren vermögen. Es sind enorme Investitionen in Aufklärung, Information und Gesprächen notwendig, um ›demokratische Antikörper‹ gegen antidemokratische Tendenzen und Denkweisen entwickeln zu können. Aber auch Investitionen, die zur spürbaren Verbesserung von konkreten Lebenssituationen führen, die wieder Vertrauen in die Politik generieren.

 

Wir leben in einer Gesellschaft, die, wie oben gezeigt, großteils nicht förderlich ist für Gemeinsinn, sondern in Konkurrenz und Ausgrenzung, oft auch Abwertung des Nächsten gründet. Die Bewusstmachung der Erkenntnis, dass wir in einer in den Grundzügen räuberischen Gesellschaft leben, kann den Blick für Alternativen hin zu einer ‚sorgenden Gesellschaft‘ öffnen, die aus gleichberechtigten, sich gegenseitig respektierenden Menschen besteht. Ihre Praxis ist ausgerichtet an den Bedürfnissen der Menschen und zentriert auf sorgende Tätigkeiten, die nicht nur Grundlage des menschlichen, sondern jeglichen Lebens sind. Eine in diesem Sinn agierende Gesellschaft wendet die Logik des Lebenserhaltens und -entfaltens auch auf die uns umgebenden Natur an.  In das Zentrum des gesellschaftlichen Diskurses würde dieser Logik folgend die Frage nach der adäquaten wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Lebensform rücken. Der Bauplan des sozialen Lebens in einer Sorgegesellschaft besteht aus zwei wesentlichen Elementen: Zum einen Ermöglichung individueller Orientierungen und Lebensentwürfe, zum anderen Ausbildung und Bereitstellung säkularer Strukturen und Wertsysteme, die das Bedürfnis nach materieller Sicherheit, sozialen Beziehungen und nach gemeinschaftlichem Erleben befriedigen. In einer solchen Gesellschaft würde der Mensch im Mittelpunkt des sozialen und staatlichen Geschehens stehen.

Wir haben die Macht, die Welt zu zerstören – oder sie lebenswert zu machen. Da dies so ist, müssen wir uns persönlich auch der Verantwortung für die weitere Entwicklung stellen und dürfen sie nicht an eine Macht abtreten, die uns, so die trügerische Hoffnung, schon lenken und alles zum Guten wenden wird. Die Botschaft der Aufklärung und der liberalen Demokratie ist, dass jeder einzelne Mensch, den Mut aufbringen muss, um für sich selbst Verantwortung zu übernehmen und gleichzeitig sich für das Ganze, in das jeder eingebunden ist, mitverantwortlich zu fühlen. Alles, was wir tun, müssen wir unter Berücksichtigung dieser beider Verantwortungen tun. Um ein gutes Leben führen zu können, um sein Leben als gut zu empfinden, um es genießen zu können, ist Voraussetzung die fürsorgliche und sorgende Behandlung des Lebens selbst und ein Freiraum, in dem meinem Willen und Handeln selbstbestimmt Ausdruck verliehen und der innere Wesenskern zur Entfaltung gebracht werden kann.

Der Begriff Gutes Leben impliziert den Erhalt und die fürsorgliche Behandlung des Lebens selbst. Er verweist auf ein Bedürfnis, auf einen Wert, dem der Mensch alles zuzuordnen vermag. Etwas, das ihm als objektiver und absoluter Maßstab dienen, nach dem er alles beurteilen kann. Diesen Wert, der dem Menschen zugleich als Maßstab dient, vermag er nur in sich selbst finden. Der gleichsam axiomatische, substanzielle Wert, der den Gefühlen der Menschen Gestalt zu geben in der Lage ist, muss eng und unmittelbar mit seiner inneren Natur verbunden und zugleich ein Vermittler innerer Wünsche und inneren Seins zur Außenwelt sein.

Nicht der autokratische oder faschistische Staat und einzelne selbsternannte populistische Führer, sondern nur die liberale Demokratie kann Mittel und Lebensräume anbieten, um eine der menschlichen Natur als einer empfindenden, (selbst-)bewussten, handlungs- und urteilsfähigen Persönlichkeit und Sozial- und Geistwesen entsprechende Lebensform zu ermöglichen.

 

Henning Schramm

 

[i] Vgl. Frankfurter Rundschau vom 20.11.2024

[ii] Vgl. dazu mein Buch: Gutes Leben. Freiheit Gerechtigkeit Solidarität. BoD Verlag 2020

[iii] Vgl dazu meinen Ansatz eines Demokratischer Marktsozialismus (DMS) in dem Buch: Henning Schramm, Mensch, sei Mensch! Die Finanzkrise und Ansätze einer sozialen Ökonomie, Bod Verlag 2021, 113ff.)


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