1933
hat »der Nationalsozialismus in der Demokratie mit der Demokratie die Demokratie besiegt.« So Hitler im Originalton.
Heute im Jahr 2024 ist die Demokratie in Deutschland und vielen anderen Staaten der Welt wieder bedroht und von populistischen Ideologien durchsetzt oder hat sich bereits hin zu illiberalen, autokratisch-populistischen und faschistischen Staatsformen entwickelt.
Es ist Zeit die Demokratie neu mit Leben zu füllen.
Lesen sie dazu mein Buch: DEMOKRATIE
LEBEN!
und meinen aktuellen Essay in der Rubrik 'Essays und Meinung':
Identität und Differenz
Ein Plädoyer für eine offene Gesellschaft
und
Eine kleine
Philosophie der Lüge.
Die Lüge im öffentlichen Raum und ihre Folgen.
Das Buch öffnet die Augen für das, was wichtig ist im Leben.
"Wenn wir Neues schaffen wollen, müssen wir uns von dem bloß passiv-betrachtenden Denken, dem Zukunft fremd ist, lösen. Wir müssen
den Willen zum Verändern der Welt,in der wir leben aufbringen und den Mut haben, unser Wissen und Denken auf die noch ungewordene Zukunft ausrichten."
(aus: GUTES LEBEN, S. 330)
Spannender histori-scher, biografischer Roman über Olympe de Gouges: Warum nicht die Wahrheit sagen.
»Ich bin eine Frau. Ich fürchte den Tod und eure Marter. Aber ich habe kein Schuld-bekenntnis zu machen. Ist nicht die Meinungs-freiheit dem Menschen als wertvollstes Erbe geweiht?«
So verteidigte sich Olympe de Gouges vor dem Revolutionstribunal in Paris. Eine kompromisslose Humanistin, eine sinnliche, lebenslustigeund mutige
Frau, die der Wahrheit unter Lebensgefahr zum Recht verhelfen will und als erste Frau in der Geschich-te auch für das weibliche Geschlecht die Bürger-rechte einfordert. Die Zeit vor und während der Französischen Revolution gewinnt in dieser historisch-authentischen Gestalt Lebendigkeit und atmosphärische Dichte.
Unteres Bild:
Ehrung von Olympe de Gouges bei der Eröffnungsfeier der olympischen Spiele in Paris 2024.
Piano Grande
Ein Roman über die Liebe in Zeiten der Krise.
Der Roman Piano Grande
zeichnet ein eindringliches Porträt des ersten Jahr-zehnt dieses Jahrhunderts, in dem die Finanz- und Wirtschaftskrise die Welt an den Rand des Abgrunds brachte.
Der Roman wirft auf dem Hintergrund einer großen Liebesgeschichte "einen sezierenden Blick auf die Gesellschaft und ihre Eliten..., die die Welt im Jahr 2008 in eine wirtschaftliche Kata-strophe geführt haben ..." (Wetterauer Zeitung)
Als vertiefende Ergänzung zu dieser Wirtschafts- und Finanzkrise empfehle ich Ihnen meinen Essay: Demokratischer Marktsozialismus. Ansätze zu einer bedürnisorientierten sozialen Ökonomie.
(Käthe Kollwitz)
Was ist das für ein demo-kratisches System, das unfähig ist, den Mord-versuch vom 6. Januar 2021 an ihrer Demokratie zu ahnden?
Unter Nice-to-now habe ich für Sie Ausschnitte aus der Rede von Trump zur Wahl und den Sturm auf das Kapitol zusammen-gestellt.
Besuchen Sie auch meine Autorenseite Henning Schramm auf Facebook. Ich würde mich freuen, wenn sie Ihnen gefällt.
Ich möchte mich auch über das rege Interesse an meiner Homepage mit über 450.000
Besucherinnen und Besuchern bedanken.
Eine kleine Philosophie der Lüge
Die Lüge im öffentlichen Raum und ihre Folgen
Henning Schramm
Nichts ist so wahr, nichts ist so unumstößlich und heilig, als dass es sich nicht durch das
Instrument der Lüge verändern ließe.
Diese Idee oder Erkenntnis bildet die axiomatische Grundlage einer Konzeption der Lüge, deren sich notorische Lügner oder eine Gemeinschaft von Lügnern bedient, um die Ordnung der Welt nach eigenen
Vorstellungen neu zu arrangieren und zu gestalten. Im Gegensatz zur klassischen Philosophie, die unsere
Gewissheit darüber, was die Dinge sind, vermindert, aber unser Wissen darüber, was die Dinge sein könnten, vermehrt (Bertrand Russell), verengt das ideologische Konzept
der Lüge den Blickwinkel auf die Welt. Es gaukelt gesicherte subjektive Gewissheiten vor, wo es keine gibt, und es
verengt die Perspektive auf das, was sein könnte.
Nach einer Definition von Hannah Arendt entstehen Ideologien dann, wenn eine Idee ihre eigene Logik entfaltet. Die Lüge ist heute zu einer Art Ideologie des Alltags geworden, deren Logik in der Überhöhung des einzelnen Individuums und der potenziellen Negierung aller (Rechts -)Normen und allgemein anerkannten gesellschaftlichen Werten wurzelt. Sie zerstört damit die Vertrauenswürdigkeit des institutionellen Systems, das auf Gerechtigkeit, Gleichheit, Freiheit und Solidarität basiert. Diese Werte sind das Versprechen der Demokratie für jeden Einzelnen, das durch die Lüge untergraben wird. Diejenigen, die sich nicht für Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit einsetzen, könnten also wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie trotz der Augenfälligkeit des bewusst gesteuerten Lügensystems, das die Lügner und Lügnerinnen in die Welt zu setzen versuchen, diesen zujubeln und sie wählen.
Immanuel Kant war das Problem der Lüge so wichtig, dass er sich gemüßigt fühlte in Ergänzung zu seinen Ausführungen dazu in der ‚Kritik der reinen Vernunft‘ seine Argumentationen bezüglich des Verbots der Lüge und der Pflicht zu Wahrhaftigkeit in einem gesonderten Aufsatz mit dem Titel ‚Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen‘ zu ergänzen. Darin schreibt er: „Wahrhaftigkeit ist eine Pflicht, die als die Basis aller auf Vertrag zu gründenden Pflichten angesehn werden muß, deren Gesetz, wenn man ihr auch nur die geringste Ausnahme einräumt, schwankend und unnütz gemacht wird“. Kant schlussfolgerte daraus: „Es ist also ein heiliges, unbedingt gebietendes, durch keine Konvenienzen einzuschränkendes Vernunftgebot; in allen Erklärungen wahrhaft (ehrlich) zu sein.“
Kant wandte sich damit auch gegen zweckrationale Ansätze und Auffassungen, die einem am Nutzen orientierten Wahrheitsprinzip den Vorrang geben. Die Pflicht zur Wahrhaftigkeit ist nach Kant unbedingt, weil das Vertrauen in Versprechen einer der Grundsätze ist, die die menschliche Gesellschaft zusammenhalten. Anders gesagt, das Verbot der Lüge oder die Pflicht zur Wahrhaftigkeit, gilt allgemein, weil sonst die Grundlage jeder Rechts-Gemeinschaft aufgehoben wäre, und die Frage, wann gelogen werden darf und wann nicht, wäre dann der subjektiven Entscheidung unterworfen. Wer letzterem folgt, schließt sich a priori von der Gemeinschaft und jedem normativen Rechtssystem aus. Eine Verständigungsgemeinschaft wie die Demokratie, die auf gemeinsam erarbeiteten und anerkannten Werten basiert, würde funktionsunfähig.
Im ähnlichen Sinn argumentiert auch der Philosoph Jürgen Habermas, wenn er fordert, dass gesellschaftlicher Diskurs nur gelingen kann, wenn neben Herrschaftsfreiheit auch Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit zwischen den Diskursteilnehmer hergestellt ist. Die Hintergründe und der gesamte Kontext einer Handlung oder Aussage sind nicht mit Sicherheit zu erkennen, so dass die Diskursteilnehmer auf die Vertrauenswürdigkeit und Wahrheit der Argumente und Gegenargumente angewiesen sind, um zu einem gemeinsamen abwägenden Urteil zu kommen, das für alle verbindlich sein kann. Da auch die tatsächlichen Folgen einer Handlung ebenfalls nicht in vollem Umfang absehbar sind, bleibt jede Entscheidung mit Unsicherheit behaftet. Die freiheitliche, liberale Demokratie bietet deswegen auch keine Geborgenheit, sondern muss Ambivalenzen aushalten und sie muss immer wieder neu erarbeitet werden. Sie ist nicht zwangsläufig und das Ende der Geschichte, sondern ein auf Wahrheit gegründeter immerwährender Austausch von Argumenten und Gegenargumenten, wie auch ein Abwägen von Vor- und Nachteilen der Folgen einer Handlung, die formal in ein Rechtssystem münden – und wechselseitigen Respekt und Kompromissfähigkeit der Gesellschaftsmitglieder zu Voraussetzung haben.
Zu jeder These lässt sich eine Gegenthese aufstellen. Das führt dazu, dass man den Anspruch an gesicherten Erkenntnissen aufgeben muss, was bei Hegel zur dialektischen Konzeption geführt hat. Obwohl der menschliche Geist vom Bedingten nach dem Unbedingten, oder nach den letzten Gründen strebt, muss der Mensch und mit ihm die Menschheit also mit bedingten Unsicherheiten leben, die er nicht bis ins Letzte auflösen kann. Er muss die Ambiguität, Komplexität und Widersprüchlichkeiten seiner selbst und den anderen aushalten. Er muss der Versuchung widerstehen, die Welt nach seinem Dafürhalten gerade zu biegen und der Welt eine Klarheit und Bestimmtheit zu geben, die sie wie auch der einzelne Mensch nicht haben. Kant drückt das so aus: Der Mensch ist ein „krummes Holz“, aus dem „nichts ganz Gerades gezimmert“ werden kann.
Der Faschismus lügt. Die Wahrheit ist das Herzstück der Demokratie. Wer der Demokratie das Herz herausreißt, muss die Menschen an die Lüge gewöhnen. Mir scheint, wir befinden uns gerade in diesem ‚Gewöhnungsprozess‘.
Lügen und alle ihre abgestuften Ausprägungsformen, wie unaufrichtige Sprechakte, Täuschungen, Irreführungen, falsche Versprechen oder jemanden im falschen Glauben lassen, machen es unmöglich, gemeinsame Ziele auszuhandeln und verletzen die formale Möglichkeit der Menschheit nach gemeinsam ausgehandelten Grundsätzen (Recht) zu handeln. Wenn zum Beispiel Trump in den USA oder Wagenknecht vom BSW in Deutschland behaupten, dass ihre Regierungen nichts für den Frieden in der Ukraine tun, ist das eine dem Populismus geschuldete Lüge, da ihre jeweilige Regierung (wie wohl auch jeder vernunftbegabte Mensch) durchaus Frieden erreichen will. Die Frage ist, wie er erreicht werden kann. Zu behaupten, Frieden schaffen zu können, ohne offenzulegen, wie man das erreichen will, lässt die Adressaten in dem falschen Glauben, dass man wüsste, wie ein sofortiger gerechter Frieden in der Ukraine unter Wahrung der Menschenwürde erreichbar sei (oder meinen beide einen Frieden zum Preis der Unterwerfung der Ukraine unter das Herrschaftsgebiet Putins?). Sie müssen auch plausibel machen können, wie man mit Putin über Frieden in eben diesem Land verhandeln kann. Ein Mensch also, der kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine einem deutschen Kanzler ins arglose Gesicht gelogen hat, keinen Angriff auf die Ukraine zu planen.
Die äußeren Lügen, aber auch innere Selbstlügen, fügen der Menschheit insgesamt großen Schaden zu, indem sie das Recht als Quelle moralischer Regeln und Normen aushöhlen und es dem Willen eines einzelnen Menschen unterordnen, wie das in jeder Diktatur der Fall ist. Die inflationäre Ausbreitung von Lügen in all ihren bereits genannten Abstufungsformen in den bestehenden Diktaturen, in autoritär-populistischen Staaten, aber auch zunehmend in demokratischen Staaten mit ihrer inflationären Lügen-‚kultur‘, die in vielen Social-Media-Kanälen, rechtsradikalen und Querdenker-Milieus und verschiedenen Zirkeln von Verschwörungstheoretikern zu beobachten ist, führt zur weltweiten Aufweichung des Wahrheitsgebots. Die Folge ist, dass einerseits wahrhaftige Aussagen und Vernunftargumente keinen Glauben mehr finden, und dass andererseits auch das Rechtssystem aufgeweicht wird und die auf Recht basierenden Verträge und Rechtsregeln ihre normative Kraft einbüßen.
Eine demokratisch verfasste und funktionierende Gesellschaft, in der alle Gesellschaftsmitglieder an dem Zustandekommen von normativen Regeln und Rechtsgrundsätzen zu egalitären Bedingungen beteiligt sind, stützt sich auf das Vertrauen, dass die moralischen und normativen Regeln beachtet und eingehalten werden. Die Interpretation und Anwendung des Rechts kann und darf nicht der Willkür Einzelner unterliegen. Dies gilt gerade auch in Konfliktsituationen. Zu denken ist hier zum Beispiel die bedeutsame Frage eines Widerstandsrechts, oder bei der Anwendung des Rechts im Rahmen staatlichen Handelns der Polizeiorgane: darf zum Beispiel ein Polizeibeamter Folter als bewusst vorgebrachte Lüge zum Zweck einer Geständniserzwingung androhen, wenn er meint, dadurch ein Menschenleben zu retten, wie das in dem spektakulärem Entführungsfall von Jakob von Metzler in Frankfurt geschehen ist? (Die justizieller Untersuchungsausschuss hatte dieses Vorgehen damals als nicht legitim beurteilt).
Diktatoren und autokratische Populisten instrumentalisieren für sich die Lüge, um mit deren Hilfe die Welt in ihrem Sinn zu verändern und zu manipulieren. Nahezu ausnahmslos sind dies autoritär-narzisstische Charaktere, die zur Selbsttäuschung neigen und deren eigenliebige Selbstprüfung sie blind für eine notwendige Korrektur macht. Sie wollen anderen eine Wahrheit verkaufen, die der narzisstischen Eigenliebe entsprungen ist, welche diese Wahrheit bereits in eine Selbstlüge transformiert hat. Sie sind unfähig und nicht willens die Wahrheit zu erkennen und zu transportieren. Hier bewahrheitet sich, dass nur der, der eine Wahrheit verfolgt, die größer ist als er selbst, die Chance hat, sie zu finden. Die innere Lüge, genährt von der Selbstliebe, die ihn daran hindert über sich hinauszusehen, entzieht dem Menschen die selbstreflektive Kraft, aus der sich Vernunft und Wahrheit entfalten können. Der autoritär-narzisstische Charakter bleibt so in seinem selbst gesponnenen Gewebe aus Lügen, Fake News und unerfüllbaren Versprechen verfangen, und mit ihm auch die ihm bedingungslos folgenden fanatisierten Bewunderer. Die Maxime seines Handelns sind nicht danach ausgerichtet, Grundlage für ein allgemeines Gesetz zu werden (wie das Kant forderte), vielmehr ist sein Kerngedanke, Wahrheiten zu relativieren und mit dem Instrument der Lüge selbstgefälligen Geltungsansprüchen und Machtansprüchen zum Durchbruch zu verhelfen.
Diktatoren, Despoten und autokratische Populisten greifen in immer mehr Staaten der Welt nach der Macht oder versuchen ihren Einfluss auf das nationale und internationale Geschehen zu mehren. Der Rückfall in den Faschismus und damit verbunden die Ideologie der Lüge und ihrer verschiedenen Ausprägungsformen spannt sich als Mittel der Politik wie ein klebriges Spinngewebe über die Menschheit und ebnet der Willkürherrschaft den Weg. Sie spaltet die Gesellschaft, untergräbt die Würde des Menschen und vergiftet mit der der Lüge innewohnenden Logik (Individualisierung, Willkür, Emotionalisierung, tendenzielle Negation von gemeinsamen Normen und Werten) über die Politik hinaus auch zunehmend das Alltagshandeln der Menschen. Was lange Zeit als unvorstellbar erschien, ist heute greifbare Realität. Putins Russofaschismus, der Wahlsieg der Postfaschistin Meloni in Italien, Le Pens Erfolge in Bezug auf „Mainstreaming des Rechtsradikalismus“ (Jan Werner Müller) in Frankreich, Orbans illiberale Demokratie in Ungarn, die Wahlerfolge der AfD in Deutschland, das Comeback der FPÖ in Österreich, Mileis autokratisch-libertärer Kreuzzug in Argentinien, Xi Jinpings Überwachungsorgien in China, die drohende Wiederwahl Trumps in den USA.
Es lohnt einen genaueren Blick auf den Protagonisten eines autoritär-narzisstischen Populisten und Lügners, verkörpert in der Person von Donald Trump, zu werfen, über den der renommierte amerikanische Schriftstelle Jonathan Franzen in diesen Tagen (August 2024) in einem Interview sagte: Er sei ein begnadender Lügner, aber ein schlechter Geschichtenerzähler: ohne Empathie, ohne Raum für Komplexität, ein Verfasser von Schundromanen, in denen es nur Helden und Schurken gebe. Die neuzeitliche Erfolgsgeschichte der Lüge in den USA, deren Auswirkungen wir heute beobachten und erleiden, begann im Jahr 2016 mit der Wahl von Trump zum Präsidenten der USA, einer Weltmacht, deren Einfluss auf die Welt auch heute noch enorm ist und deswegen eines detaillierteren Augenmerks würdig ist.
Die Washington Post hat sich während des Wahlkampfes die Mühe gemacht, die öffentlich geäußerten Unwahrheiten von Trump von seinem Amtsantritt am 20. Januar 2017 bis zu den Wahlen am 3. 11. 2020 zu zählen. Sie kam zu dem Resultat, dass er in dieser Zeit mehr als 22.000 irreführende oder falsche Behauptungen und Lügen auf seinem 'Lügen-Konto' angehäuft hat. Eine imponierende Zahl, die damals noch leichthin mit ungläubigem Kopfschütteln zur Kenntnis genommen worden war. Doch gemessen an den heute von Trump und seinen republikanischen Ziehsöhnen und -töchtern in Umlauf gebrachten unwahren Aussagen und Behauptungen erscheint die damalige Zahl an Lügen heute eher lächerlich klein. Mir ist kein aktuelles Lügenkonto von Trump-Äußerungen bekannt. Allein wegen deren Quantität dürfte es für jeden wohl auch unzumutbar sein, die Anzahl der Lügen aus Trumps Reden, Tweets und sonstige öffentlichen Äußerungen zu extrahieren und in entsprechende Zahlenwerke zu kleiden. Man nimmt seine Lügen, Beschimpfungen, Beleidigungen, Drohungen und apokalyptischen Analysen des Geschehens in den USA und der Welt heute eher achselzuckend zur Kenntnis, mit der resignierenden Bemerkung „so ist Trump halt“, und meint damit gleichzeitig: seine Art sich zu äußern, Lügen in die Welt zu setzen, ist Normalität geworden.
Nach neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen spricht der Mensch im Durchschnitt 16.000 Worte pro Tag. Und gesichert ist auch, dass Narzissten deutlich mehr als der durchschnittliche Mensch sprechen. Wie viele Wörter, die Trumps Mund verlassen, sind Bestandteile von Lügenmärchen, falschen Behauptungen, berechnenden Diffamierungen, Beleidigungen, die nichts anderem als der Befriedigung seiner narzisstischen Bedürfnisse und seinen Machtgelüsten dienen? Und nicht nur die Quantität, sondern auch die Dreistigkeit der Lügen nahm seit Trumps Erscheinen auf der politischen Bühne zu. In einem seiner Tweets am Mittwochmorgen, vor der aufrührerischen Kundgebung vor dem Weißen Haus schrieb Trump am 5.1.2021: „Sie haben gestern Abend zufällig 50.000 Stimmzettel gefunden. Die USA werden von Dummköpfen blamiert. Unser Wahlprozess ist schlimmer als der von Dritte-Welt-Ländern!“ Erinnert sei auch an seine Rede am 6. Januar 2021 vor dem Weißen Haus, wo er zum Aufruhr aufrief: „Unser Land hat genug. Wir werden es nicht mehr akzeptieren, und darum geht es hier. Um einen beliebten Begriff von euch zu verwenden, den ihr alle erfunden habt: Wir werden den Diebstahl stoppen. Heute werde ich nur einige der Beweise darlegen, die zeigen, dass wir diese Wahl gewonnen haben, und wir haben sie in einem Erdrutschsieg gewonnen … Wir werden nicht zulassen, dass sie eure Stimmen zum Schweigen bringen … Wir werden niemals aufgeben, wir werden niemals die Niederlage einräumen. Man gibt sich nicht geschlagen, wenn Diebstahl im Spiel ist." Den Beweis des Diebstahls blieb Trump schuldig. Bis heute hält Trump und mit ihm der größte Teil seiner republikanischen Gefolgschaft an der Diebstahlslüge fest. Trump, sein Vizepräsidentschaftskandidat J. D. Vance und seine emotions- und wutgeladene republikanische Gefolgschaft sind Gefangene ihrer selbst gewebten Lügengespinste, deren fragile Konstruktion bis zum heutigen Tag nur durch eine Dauerschleife immer wiederholter äußerer und innerer Lügen zusammengehalten werden kann. Allein während einer einzigen Pressekonferenz am 15. August 2024 in Badminster in der Nähe von New York hat Trump zwanzig Mal die Unwahrheit gesagt.
Der autokratische Narzisst Trump ist unfähig zu einem Gespräch, in dem Gedanken sich verflechten, in dem man das möglicherweise Gemeinsame erkunden und eine solidarische Lösung finden will. Er sucht nicht den Diskurs, sondern führt selbstgefällige Monologe, die seinem narzisstischen Charakter genügen, nicht aber einem Wahrheitsanspruch. Auf diese Weise hat er in den vergangenen acht Jahren das Land vergiftet und an den Rand eines moralischen Abgrunds geführt. Je unverschämter, narzisstischer, verlogener und hasserfüllter, rassistischer und frauenfeindlicher Trump sich präsentiert, desto mehr jubeln ihm seine Anhänger bedingungslos zu. Es scheint so, als ob kein Betrug, kein Prozess, keine enttarnte Lüge, kein Verrat, keine Fehleinschätzung einer politischen oder ökonomischen Situation ihm etwas anhaben könne. Das Konzept der Lüge hat sich in den USA in den vergangenen Jahren bei einem beträchtlichen Bevölkerungsteil etabliert und droht, falls Trump die Wahlen gewinnen sollte, zu einem institutionalisierten Bestandteil der USA-Politik zu werden, mit verheerenden Folgen auch für die Demokratien und das demokratische Bewusstsein der Menschen weltweit.
Dieses ideologische Gespinst von Lügen, Falschinformationen, wirtschaftlicher und politischer Inkompetenz und abgründiger Dummheit hat die Welt infiltriert und auch Deutschland nicht verschont. Es hat bei Rassisten, Verschwörungsideologen, Ignoranten, Antisemiten, dem rechtsradikalen Milieu und linken und rechten Populisten hierzulande einen humusreichen Boden gefunden. Die der Lüge innewohnende Logik hat auch in Deutschland, oft populistisch verbrämt, Früchte getragen und Lügen und falsche Behauptungen hoffähig gemacht. Ungeniert verbreiten sie sich in den sogenannten sozialen Netzwerken, werden geliked, geteilt und bejubelt. Unreflektierte persönliche Meinungen geistern durch die Lande, als seien es geprüfte und überprüfbare Tatsachen oder ‘hard Facts‘, die aus einer seriösen Analyse hervorgegangen seien.
So kann der faschistische Vorsitzende der Thüringischen AfD, Björn Höcke, auf einer Wahlkampfveranstaltung am 14. Juli 2019 behaupten: „Die sogenannte Einwanderungspolitik, ist nichts anderes als eine von oben verordnete multikulturelle Revolution, die nichts anderes bezweckt als die Abschaffung des deutschen Volkes.“ Und die Zuhörer und seine Wähler und zuweilen auch Wählerinnen klatschen zustimmend. Björn Höcke und seine Gesinnungsgenossen untergraben das Vertrauen, das wichtigste Kapital der Demokratie, und prangern die Kompromissfähigkeit als Schwäche der Demokratie an. Jedes Mittel ist dazu recht, die Atmosphäre zu vergiften und die Spaltung voranzutreiben. So fordert sein Gesinnungsgenosse Götz Kubitschek: Politik und Bürger müssen einander noch fremder werden. Höcke hofft auf die schockartig eintretende katastrophale Krise, sodass etwas anderes als ein Rechtsruck für die Wähler nicht mehr in Betracht käme. „Am Tag danach beginnt“, so Höcke, „der Kampf um die neue Ordnung“. Manfred Klein-Hartlage, dessen Buch „Systemfrage. Vom Scheitern der Republik und dem Tag danach.“ Höcke als messerscharfe Analyse lobt, bläst in das gleiche Horn und behauptet, dass „die BRD sich schleichend in ein totalitäres Staatswesen umwandelt … Wahlen bringen keine Änderung mehr, deshalb seien andere Akteure gefragt … um den Rechtsruck auszulösen. Die Lügen-Suada der AfD und Höcke überflutet die politische Bühne. So unterstellt er der US-amerikanischen Regierung, Deutschland „den wirtschaftlichen Selbstmord“ befohlen zu haben, er behauptet, die Flüchtlingskrise führe zur „Umvolkung“, “sozialem Abstieg“, „Kontrollverlust“ und „Verlust von Selbstbestimmung“; die Inflationskrise im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg werde von den Eliten „bewusst herbeigeführt“, um „die Bevölkerung zu verarmen“, und spricht von Deutschland als einer „Diktatur“ und so weiter und so weiter. Der Vertreter des rechtsextremen Flügels, Harald Weyel, der dank Höcke Mitglied des Bundesvorstands der AfD wurde, sagte in einem internen Gespräch zu der Gas-Krise, dass sie „hoffentlich“ schwerwiegend werde, da man „die AfD nicht brauche, wenn’s nicht dramatisch wird.“ Diese infamen Sätze gelangten nur in die Öffentlichkeit, weil das Mikro offen war. Sie versinnbildlichen die Lügen-Strategie. Alarmismus ist Pflicht und die Lüge ist das geeignete Instrument, um die rechtsradikalen Ziele zu erreichen.
Die Republikaner in den USA und die Anhänger der AfD in Deutschland stehen mit dieser Strategie nicht allein in der Welt. Alle Diktaturen, Autokraten und autoritären Populisten nutzen skrupellos jedes sich ihnen bietende Lügen-Narrativ. Sie alle ignorieren weitgehend die Komplexität der Realität und Entscheidungsfindung und suggerieren, dass es für komplexe Probleme einfache, leicht verständliche Lösungen gäbe. In Form einer Empörungsdiktatur sind die Narrative und der Sprachduktus der autoritär-populistischen Führer und ihrer bedingungslosen Gefolgschaft in der Gesellschaft eingesickert und haben begonnen, die Debattenkultur zu verseuchen. Hass und Hetze, Lügen, Gerüchte und Falschmeldungen verbreiten sich rasend schnell. Im Gegensatz zum Konzept der deliberativen Demokratie (Habermas), wo nicht rhetorische Begabung und Lautstärke, sondern der abwägende Verständigungsprozess über ein Problem im Vordergrund steht, an dessen Ende eine kreative Lösung stehen sollte, dampft der autoritäre Populismus mit seinem verengten Blickwinkel jede komplexe Situation auf ein Schwarz oder Weiß ein. Originalton von Italiens postfaschistischer Ministerpräsidentin Meloni: »Es gibt keine Zeit mehr für Kompromisse und Zugeständnisse. Nun ist die Zeit der Entscheidungen. Entweder heißt es JA oder NEIN.«
Zum gelingenden Diskurs in einer deliberativen Demokratie gehört Toleranz, innere und äußere Wahrhaftigkeit, Vertrauen, Kompromissbereitschaft und Solidarität – im Sinne von Einsatz für ein Staatswesen oder einem Kollektiv, dem man verbunden ist. Dazu muss die postfaktische Politik und das darin eingeschlossene Konzept der Lüge als Mittel der Politik oder allgemein, als Mittel, eigene Ziele durchzusetzen aus der Gesellschaft so weit wie möglich verbannt und tabuisiert werden, wenn wir nicht in den Abgrund stürzen sollen.
Die Pulitzer-Preisträgerin Anne Applebaum drückte ihre Befürchtungen in ihrem Zeitungsartikel ‚Ähnlich wie in den 1930er-Jahren‘ so aus: „Wir alle sollten besorgt sein. Es droht ein neues, anderes Europa: finster und intolerant. Ich kann mir ein Europa vorstellen, das extrem intolerant wird und damit beginnt, Leute aus dem Land auszuweisen, die nicht einheimisch sind. Ein Europa, in dem an vielen Orten die Demokratie endet. Ich kann mir noch mehr Einparteienstaaten vorstellen, wie es ihn in Ungarn faktisch schon gibt. Die Techniken dafür sind jetzt bekannt … Wir haben noch nicht begriffen, dass wir jetzt gemeinsam kämpfen müssen, um unser politisches System zu retten.“