1933
hat »der Nationalsozialismus in der Demokratie mit der Demokratie die Demokratie besiegt.« So Hitler im Originalton.
Heute im Jahr 2024 ist die Demokratie in Deutschland und vielen anderen Staaten der Welt wieder bedroht und von populistischen Ideologien durchsetzt oder hat sich bereits hin zu illiberalen, autokratisch-populistischen und faschistischen Staatsformen entwickelt.
Es ist Zeit die Demokratie neu mit Leben zu füllen.
Lesen sie dazu mein Buch: DEMOKRATIE
LEBEN!
und meinen aktuellen Essay in der Rubrik 'Essays und Meinung':
Identität und Differenz
Ein Plädoyer für eine offene Gesellschaft
und
Eine kleine
Philosophie der Lüge.
Die Lüge im öffentlichen Raum und ihre Folgen.
Das Buch öffnet die Augen für das, was wichtig ist im Leben.
"Wenn wir Neues schaffen wollen, müssen wir uns von dem bloß passiv-betrachtenden Denken, dem Zukunft fremd ist, lösen. Wir müssen
den Willen zum Verändern der Welt,in der wir leben aufbringen und den Mut haben, unser Wissen und Denken auf die noch ungewordene Zukunft ausrichten."
(aus: GUTES LEBEN, S. 330)
Spannender histori-scher, biografischer Roman über Olympe de Gouges: Warum nicht die Wahrheit sagen.
»Ich bin eine Frau. Ich fürchte den Tod und eure Marter. Aber ich habe kein Schuld-bekenntnis zu machen. Ist nicht die Meinungs-freiheit dem Menschen als wertvollstes Erbe geweiht?«
So verteidigte sich Olympe de Gouges vor dem Revolutionstribunal in Paris. Eine kompromisslose Humanistin, eine sinnliche, lebenslustigeund mutige
Frau, die der Wahrheit unter Lebensgefahr zum Recht verhelfen will und als erste Frau in der Geschich-te auch für das weibliche Geschlecht die Bürger-rechte einfordert. Die Zeit vor und während der Französischen Revolution gewinnt in dieser historisch-authentischen Gestalt Lebendigkeit und atmosphärische Dichte.
Unteres Bild:
Ehrung von Olympe de Gouges bei der Eröffnungsfeier der olympischen Spiele in Paris 2024.
Piano Grande
Ein Roman über die Liebe in Zeiten der Krise.
Der Roman Piano Grande
zeichnet ein eindringliches Porträt des ersten Jahr-zehnt dieses Jahrhunderts, in dem die Finanz- und Wirtschaftskrise die Welt an den Rand des Abgrunds brachte.
Der Roman wirft auf dem Hintergrund einer großen Liebesgeschichte "einen sezierenden Blick auf die Gesellschaft und ihre Eliten..., die die Welt im Jahr 2008 in eine wirtschaftliche Kata-strophe geführt haben ..." (Wetterauer Zeitung)
Als vertiefende Ergänzung zu dieser Wirtschafts- und Finanzkrise empfehle ich Ihnen meinen Essay: Demokratischer Marktsozialismus. Ansätze zu einer bedürnisorientierten sozialen Ökonomie.
(Käthe Kollwitz)
Was ist das für ein demo-kratisches System, das unfähig ist, den Mord-versuch vom 6. Januar 2021 an ihrer Demokratie zu ahnden?
Unter Nice-to-now habe ich für Sie Ausschnitte aus der Rede von Trump zur Wahl und den Sturm auf das Kapitol zusammen-gestellt.
Besuchen Sie auch meine Autorenseite Henning Schramm auf Facebook. Ich würde mich freuen, wenn sie Ihnen gefällt.
Ich möchte mich auch über das rege Interesse an meiner Homepage mit über 450.000
Besucherinnen und Besuchern bedanken.
Ansätze einer bedürfnisorientierten sozialen Ökonomie.
Henning Schramm
Frankfurt im März 2012
Das immer schon gegebene Spannungsverhältnis zwischen Demokratie und Kapitalismus ist wegen der ungelösten Weltfinanzkrise und der dadurch ausgelösten Schuldenkrise in Europa einer kaum mehr handhabbaren Zerreißprobe ausgesetzt. »Die Systemimperative des verwilderten Finanzkapitalismus, den die Politiker selbst erst von der Leine der Realökonomie entbunden haben, und die Klagen über das uneingelöste Versprechen sozialer Gerechtigkeit, die ihnen aus den zerberstenden Lebenswelten ihrer demokratischen Wählerschaft entgegenschallen«, driften krisenhaft auseinander, so Jürgen Habermas[1]. Oder ist die Demokratie mit Blick auf die aktuellen Geschehnisse in Griechenland schon am Ende? Können die Profit- und Renditeerwartungen der Eigentümer an Kapital und die Erwartungen der Wähler an die Politik noch unter einen Hut gebracht und demokratisch gelöst werden?
Es besteht in der gegenwärtigen Finanz- und Schuldenkrise die akute Gefahr, dass der Wähler, der europäische Bürger, zum bloßen Zuschauer wirtschaftspolitischer Aktivitäten der Staaten degradiert wird. Die Tendenz der politischen Elite, wenn sie erst einmal gewählt ist, sich möglichst wenig von ihren Wählern dazwischenreden zu lassen, verstärkt sich in Krisenzeiten. Die Politiker, wegen notwendiger schneller Entscheidungen unter Zeitdruck und wegen der komplexen und fachliche Kompetenz erfordernden Materie auf Experten-wissen angewiesen, neigen in solchen Zeiten dazu, sich eher auf Expertengremien als auf die Parlamente zu stützen. Wer aber den Experten die Macht in die Hände gibt, so Hegel und auch Slavoj Zizek, votiert für den Totalitarismus.[2] Besonders große Skepsis scheint die Politikerelite der EU, insbesondere Deutschland und Frankreich, gegenüber der Meinung des Volkes zu haben, wie das die barsche Zurückweisung des Vorschlags des griechischen Ministerpräsidenten Papandreou, ein Referendum des griechischen Volkes zu den Auflagen der Troika aus EU, Weltwährungsfonds und Europäischer Zentralbank durchzuführen, gezeigt hat. Aber ist das Volk wirklich so dumm, dass es nicht auszudrücken vermag, was in seinem Interesse ist, nämlich dass es im Hinblick auf Einkommensverteilung, Lebensqualität und -standard, sozialer und wirtschaftlicher Sicherheit und ökologischer Fragen einigermaßen gerecht zugeht?
Es wäre das Ende der Demokratie, wenn das Misstrauen der Politik gegenüber dem eigenen Wähler weiter um sich greifen und das Wahlvolk das Vertrauen in die Politikerelite verlieren würde. Um dies zu verhindern, darf die Politik ihre Entscheidungen nur unter Berücksichtigung des Willens seiner Bürger treffen. Dazu muss sie sich einerseits verständlich machen, aufklären und überzeugen, und sie muss sich andererseits sensibilisieren hinsichtlich deren Erwartungen und Lebensperspektiven. Schließlich muss sie in der Lage sein, ihre Entscheidungen im Sinne ihrer Wähler durch- und umzusetzen. Habermas mahnt an, institutionelle Voraussetzungen zu schaffen, damit diese Prozesse in demokratischen Bahnen stattfinden können: »Eine Konzentration der Macht bei einem intergouvernementalen Ausschuss der Regierungschefs, die ihre Vereinbarungen den nationalen Parlamenten aufs Auge drücken, ist der falsche Weg. Ein demokratisches Europa, das keineswegs die Gestalt eines europäischen Bundesstaates annehmen muss, muss anders aussehen. Dieses Projekt verlangt nicht nur institutionelle Phantasie. Die überfällige Kontroverse über Notwendigkeit und Nutzen eines solchen Projekts muss in der breiten Öffentlichkeit ausgetragen werden. Das verlangt allerdings von den politischen Eliten nicht nur den üblichen Spagat zwischen Bürgerinteressen und dem Rat der Experten. Die erneute Anbahnung eines verfassungsgebenden Prozesses würde vielmehr ein Engagement verlangen, das von den Routinen des Machtopportunismus abweicht und Risiken eingeht.«[3] Es würde Mut und ein neues Denken erfordern, das nicht nur den Weiterbau, sondern auch den einen oder anderen institutionellen Neubau erfordert.
Wenn wir vorerst einmal die institutionellen Rahmenbedingungen hintan stellen und so tun, als ob die Politik in der Lage wäre, die richtigen Entscheidungen im Sinne des Volkes zu treffen, dann tritt als entscheidendes Problem die Machtfrage in den Vordergrund. Inwieweit ist die Politik in der Lage, die von ihrem demokratischen Auftrag abgeleitete und für richtig erkannten Entscheidungen durchzusetzen. Alle demokratische Willensbildung wäre nichts als ein papierner Tiger, wenn der demokratische Staat nicht die Macht hätte, einmal getroffene Beschlüsse in konkrete Gesetze zu gießen und die Durchsetzung dieser Gesetze zu garantieren.
Die Demokratie wäre am Ende, wenn sie sich untrennbar mit der Logik des Kapitals und der ungeregelten Kapitalinteressen verknüpfen würde. Es bliebe ihr nichts anderes übrig, als sich den ›Systemimperativen des verwilderten Finanzkapitalismus‹ zu unterwerfen, der, wie ich später noch zu zeigen versuche, nicht den Bedürfnissen und Erwartungen ihrer Wähler zu entsprechen vermag. Die Kolumnistin der Frankfurter Rundschau, Brigitte Fehrle, sieht diesen Kampf der Politik gegen die Finanzlobbyisten bereits als verloren an: Die Politik »benimmt sich wie ein Player auf den anarchischen internationalen Finanzmärkten, die nur der Logik der Geldvermehrung gehorchen. Sie hat sich auf ein Kräftemessen eingelassen, das sie verlieren muss ... Wir beobachten die Selbstentleibung der Politik … sie machen keine Gesetze mehr, d.h. Spekulanten vom Spekulieren abhalten…«[4] Die Politik wird machtlos, wenn sie sich auf die Regeln ihrer Gegner, der Spekulanten, einlässt. Eine Machtlosigkeit, die der Niederlage des Politischen gegenüber dem Ökonomischen den Weg ebnen und geradewegs in die vielbeschworene postdemokratische Gesellschaft führen würde, wie sie der britische Politikwissenschaftler Colin Crouch bereits 2004 beschrieben hat.[5] Crouch definiert die Postdemokratie als »ein Gemeinwesen, in dem zwar nach wie vor Wahlen abgehalten werden [...], in dem allerdings konkurrierende Teams professioneller PR-Experten die öffentliche Debatte während der Wahlkämpfe so stark kontrollieren, daß sie zu einem reinen Spektakel verkommt, bei dem man nur über eine Reihe von Problemen diskutiert, die die Experten zuvor ausgewählt haben.«[6]
Die Postdemokratie bezeichnet einen Zustand, in dem die demokratischen Institutionen wie Parteien und Parlamente zwar noch bestehen, aber kaum mehr Einfluss auf die Politik haben und mehr oder weniger zu leeren Hülsen geworden sind. Mit der schleichenden Aushöhlung demokratischer Institutionen und Verfahren geht einher die steigende Macht von Großkonzernen und anderer privater Akteure, die in enger Kooperation mit den sie unterstützenden wirtschaftlichen Lobbygruppen das entstandene Vakuum ausfüllen. Die gewählten Repräsentanten der demokratischen Institutionen verlagern nach dieser Theorie ihre Kompetenzen und damit auch die Verantwortung für ihr Handeln auf Experten und Kommissionen. Der Wähler ist nicht mehr der Souverän, in dessen Auftrag entschieden werden muss. Vielmehr ist die Politik aufgefordert, den Bürger zu befähigen, die vorgegebenen, in erster Linie ökonomischen Notwendigkeiten, die dem Allgemeinwohl dienen und aus Sicht der Experten objektiv bestimmbar sind, nachvollziehen zu können. Interessenkonflikte werden dann nicht mehr in demokratischen Verfahren und Mehrheitsentscheidungen ausgetragen, sondern in entsprechenden Fachkommissionen beraten und durch Verwaltungsakte exekutiert.
In ähnlicher Richtung argumentieren Dirk Pilz und Friederike Schröter in einem im November 2011 erschienenen Artikel in der Frankfurter Rundschau. Sie sehen den Wähler heute, 2011, aufgrund der Machtfülle der ökonomischen Interessengruppen und der Schwäche der politischen Elite zusehends weniger in der Lage, im Sinne seiner eigenen Interessen zu handeln. Sollte diese Analyse stimmen, so hätte sich das demokratische Prinzip erschöpft und man müsste nach Ansicht dieser beiden Autoren der Frage nachgehen, ob es, wie das auch Die ZEIT in einer Artikelserie untersucht hat, »eine Alternative zur Demokratie gibt, die nicht auf Diktatur oder den autoritären Staat hinausläuft … Als Regierungsform kommt die westliche Demokratie an ihre Grenzen, wenn sie nicht mehr das leisten kann, wozu sie erfunden wurde: die Interessen der Vielen statt die Einzelner zu sichern und dem Volk so ein gutes Leben zu versprechen.«[7]
Diese Äußerungen zur Demokratie wiegen schwer und spiegeln den Vertrauensverlust in den demokratischen Staat wider. Die Demokratie kann Fehler machen, es bleibt dem Volk dann nur das Vertrauen, dass die demokratischen Institutionen und ihre Repräsentanten es in Zukunft besser machen und den sich abzeichnenden Herausforderungen, die sich aus der Machtfülle der ökonomischen Gegenspieler ergeben, gewachsen sein werden. Das Vertrauen ist erst einmal verspielt. Kein verantwortlicher Politiker darf sich in dieser Hinsicht mehr etwas vormachen. Das gegenwärtige Desaster ist ja nicht durch eine unsichtbare Hand ausgelöst worden oder durch mysteriöse, undurchschaubare ökonomische Prozesse entstanden, sondern durch bewusste Entscheidungen und Gesetze eben dieser Politiker, die den neoliberalen Heilsversprechungen geglaubt haben, und die durch stetige Förderung der Kapitalseite und Ausweitung des Finanzsektors zu Lasten der Realwirtschaft und abhängig Beschäftigten die heutige desaströse Situation herbeigeführt haben. »Je mehr sich der Staat aus der Fürsorge für das Leben der normalen Menschen zurückzieht und zuläßt, daß diese in politische Apathie versinken, desto leichter können Wirtschaftsverbände ihn – mehr oder minder unbemerkt – zu einem Selbstbedienungsladen machen.«[8] Dies mag eine Strategie der Apologeten des Neoliberalismus sein. Mit Blick auf die Handlungsfähigkeit des Staates verweist die Unfähigkeit der politischen Elite, diesen Zusammenhang zu erkennen, auf ihre fundamentale Naivität gegenüber den neoliberalen Denkansätzen.
Wenn es der Politik und den demokratischen Institutionen nicht gelingt, Maßnahmen durchzusetzen, die darauf zielen, die wachsende Dominanz der ökonomischen Eliten und des Kapitals einzudämmen, ist zu befürchten, dass diese unser politisches System metastasieren und die demokratische Kultur in den Tod treiben. Ein Tod, den der apathisch gewordene Bürger möglicherweise sogar begrüßt, weil er sich der technokratischen Weisheit der Experten unterworfen hat und ihm so die Bürde der Entscheidung über Problemfelder, mit denen er nach Meinung eben dieser Experten überfordert ist, genommen worden ist. Wenn, wie jetzt in Griechenland, Lucas Papademos, der ehemalige Vizepräsident der EZB und ausgesprochener Finanzexperte, zum Ministerpräsident ernannt wird und als ersten Satz wie ein Glaubensbekenntnis in die Mikrofone der Journalisten sagt, »Ich bin kein Politiker« (10.11.2011), und alle europäischen Regierungen dazu klatschen, dann zeigt das auf der einen Seite, dass die Politiker ihr wichtigstes Kapital, Vertrauen nämlich, in großem Maßstab verloren haben, und es demonstriert auf der anderen Seite, wie weit Europa schon auf dem Weg zu der von Crouch beschriebenen postdemokratischen Gesellschaft vorangeschritten ist. Ähnliches ist zur selben Zeit in Italien geschehen, wo Mario Monti, ehemaliger Wirtschaftsprofessor wie Papademos, als Ministerpräsident die Kastanien aus dem italienischen Feuer holen soll. Beide Regierungen sind nicht von der Opposition gestürzt worden, sondern – abstrakt gesprochen – von den Märkten. Und in deren Zwangsjacke stecken beide Wirtschaftsexperten bei dem Bemühen einen drohenden Staatsbankrott, dessen Mitverursacher eben diese Märkte sind, zu vermeiden. Die Staaten verhalten sich ein bisschen wie Drogenabhängige: die alten Kredite laufen aus und sie brauchen immer neue, noch teurere Kredite, die ihnen die Dealer bereitwillig geben, damit sie ihre alten bezahlen können.
Es ist noch kein Befreiungsschlag, was gegenwärtig in Europa passiert, vielmehr dokumentiert der Vorgang die Anerkennung der Dominanz des ökonomischen über das politische Denken und Handeln, auch wenn die beiden Wirtschaftsexperten Papademos und Monti nur als Chefs einer Übergangsregierung angedacht sind und man ihnen demokratische Gesinnung und guten Willen nicht absprechen kann.
»All die ökonomischen Fragen und Probleme, die uns heute bedrängen, sind doch völlig der demokratischen Kontrolle entzogen. Da wo es wichtig ist, funktioniert die Demokratie nicht«[9], befürchtet der Philosoph Zizek. Für mich bedeutet das nicht, dafür zu plädieren, die Demokratie fallen zu lassen, sondern sie zu ändern und unter den gegebenen Verhältnissen des 21. Jahrhunderts neu zu überdenken. Die Demokratie zu bewahren, verlangt von der Politik in einem ersten, sicher noch nicht hinreichen-den, Schritt, sich von dem asozialen, anarchischen Gebaren der Finanzmärkte und den Einflüsterungen ökonomischer Lobbyisten zu befreien und den Markt unter politische Kontrolle zu bringen. Die Volkswirtschaft muss so gestaltet werden, dass sie wieder dem Wohl der Mehrheit des Volkes dient und nicht als Geldmaschine für die, die mit ihrem Geld nichts anderes im Sinn haben, als möglichst viel Geld zu machen, zu wetten und zu spekulieren.
Um dem demokratischen Prinzip eine Chance zu eröffnen und sich dem »legitimen Anspruch, dass es in den europäischen Wohlstandsgesellschaften neben dem privaten Reichtum keine öffentliche Armut und keine marginalisierte Armutsbevölkerung geben darf«[10], zu nähern, bedarf es eines politischen Willens, der das kapitalistische Wirtschaftssystem vor dem Kapital und den Markt vor den Monopolisten schützt und wirklichen Wettbewerb wiederherstellt, der die Realökonomie stärkt und die exorbitante Blase an virtuellem, liquidem Finanzkapital reduziert. Die Aktivitäten etablierter politischer Institutionen in den letzten dreißig Jahre geben leider wenig Anlass zu der Hoffnung, dass deren Repräsentanten aus der Vergangenheit gelernt und die Kraft haben, das Blatt zu wenden und sich aus der Umklammerung sogenannter alternativloser ökonomischer Sachzwänge zu befreien. Umso wichtiger dürfte es für die Zukunft sein, Nichtre-gierungsinitiativen zu stärken, deren Kräfte zu bündeln und einer politischen Kultur den Weg zu bereiten, die sich nicht an einer Minderheit von kapitalkräftigen Aktionären, Großkonzernen und Finanzdienstleistern, sondern an den Bedürfnissen der Mehrheit, den Bedürfnissen der Menschen nach einem guten Leben orientiert. Dort, wo Menschen zusammen kommen und jeder den Mut hat für sich selbst zu sprechen, wie das zum Beispiel in dem Zeltdorf von Occupy-Frankfurt nun schon über Monate demonstriert wird, wird sich zwangsläufig etwas Neues ergeben, auch wenn zur Zeit noch offen ist, wohin der Weg führen wird.
No risk, no fun – die Eröffnung des Spielkasinos
Er kam aus dem ländlichen Illinois, formte in den siebziger Jahren die Investment-Bank Goldman Sachs in New York zu einem Handelsriesen, baute mit ihr den lukrativen Handel mit Staatsanleihen auf und erwirtschaftete mit knapp kalkulierten Risiken exorbitante Gewinne. 1994 saß er mit 33 Jahren im Chefsessel von Goldman Sachs. Nach fünf Jahren auf dem Thron, so berichtet Thorsten Schröder[11], verzockte sich Jon Stevens Corzine bei Wetten mit russischen Staatsanleihen, machte eine Milliarde Dollar Schulden und musste gehen. So weit so gut. Wenn es in der Wirtschaft nicht klappte, blieb immer noch die Politik. Er wurde Senator und später demokratischer Gouverneur in New Jersey und machte erneut so hohe Schulden, dass er 2009 nicht wiedergewählt wurde. Was blieb dem arbeitslos gewordenen übrig als es wieder in der Finanzbranche zu versuchen, da kannte er sich aus. Corzine ging also 2010 zu dem damals unbedeutenden Börsenmakler MF Global in New York, ersetzte als Chef von MF Global altgediente Händler durch junge, smarte und risikofreudige Finanzjongleure und machte das, was ihm offensichtlich am meisten Spaß machte, er begann wieder zu wetten. Die Summen, die er sich für seine Wetten lieh, wurden immer höher, so dass schließlich auf einen Dollar Eigenkapital fünfunddreißig Dollar Fremdkapital kamen. Warnungen schlug er in den Wind, niemand und kein Gesetz konnten ihn in seinem Wetteifer hindern. Seine Fima, die unter anderem für Hedgefonds deren Geschäfte mit Aktien, Anleihen, Währungen, Derivaten oder Rohstoffen abwickelte, wuchs und mauserte sich, auch dank seiner guten Verbindungen nach Washington aus seiner Gouverneurszeit, zu einem der großen Finanzunternehmen der USA. Einmal Zocker immer Zocker wettete er im großen Stil auf europäische Staatsanleihen im Volumen von 6,3 Milliarden Dollar[12]. Als seine Gläubiger, Banken und Hedgefonds, Zweifel an seinem Geschäftsmodell bekamen und ihr Geld zurückforderten, musste Jon Corzine und GF Global Anfang November 2011 Insolvenz anmelden. Der Schuldenberg betrug 39 Milliarden Dollar! Die achtgrößte Insolvenz in der Geschichte der USA und die Größte seit der Pleite von Lehman Brothers 2007. Corzines Kommentar zu diesem Desaster: »Ich bin sehr traurig über das, was bei GF Global passiert ist.«[13] Als armer Mann muss er aber sicher nicht sein weiteres Leben fristen. Immerhin wollen Anleger den Chef des Unternehmens MF Global Jon Corzine wegen Täuschung der Investoren verklagen. Berichten zufolge werden dazuhin bei dem insolventen Brokerhaus Kundengelder in Höhe von mehreren hundert Millionen Dollar vermisst.[14]
Man muss sich diese Geschichte auf der Zunge zergehen lassen, um zu begreifen, was auf den Finanzmärkten gang und gäbe ist und wie mit unser aller Schicksal Schindluder getrieben wird: Einschlägig bekannte Spieler wetten gegen Staaten, treiben die Anleiherenditen nach oben, streichen dank der hohen Kreditzinsen saftige Gewinne ein, solange bis diese Staaten nicht mehr in der Lage sind, Kredite zu diesen hohen Zinsen zu bezahlen und an den Rand des Staatsbankrotts getrieben werden. Das hat Methode, denn zu diesem Geschäftsmodell gehört, die hohen Kreditzinsen, die ja einen Risikoaufschlag für schlechte Kreditwürdigkeit eines Staates darstellen, als Netto-Gewinn zu verbuchen, ohne entsprechende Rücklagen für mögliche Verluste zu bilden, da man im Falle Europas davon ausging, dass der EURO-Staatenverbund es nicht wagen würde, einen EURO-Staat Bankrott gehen zu lassen. Die Risikoprämien kassieren die Spekulanten, das Risiko trägt der Staat. Die Folge solcher Spekulationen ist: Um den Bankrott zu vermeiden, müssen sich diese Länder kurzfristig rigide Sparmaßnamen auferlegen, worunter in erster Linie die Masse der Bevölkerung zu leiden hat, und, im Falle von Europa, EU-Gelder als Staatshilfen beantragen und dazuhin die ebenfalls rigorosen Sparauflagen der Geldgeber erfüllen.
Millionen Menschen geht es deswegen schlechter, weil die Corzines dieser Welt und ein paar Reiche, die lukrative Anlagemöglichkeiten für ihr reichlich vorhandenes Spielgeld suchen, sich mit Wetten auf Staatsanleihen eine goldene Nase zu verdienen versuchen. All dies geschieht legal unter den Augen der Politik, die in den siebziger und dann vermehrt in den achtziger Jahren die entsprechenden Kontroll- und Einflussmöglichkeiten auf solche Geschäftspraktiken aus der Hand gegeben hat.
Ein System, in dem staatliche Zentralbanken den Banken zu niedrigen Zinsen Geld verleihen, das die Banken anschließend zu einem deutlich höheren Zinssatz wieder den Staaten leihen, ist, gelinde gesagt, mit enormen Nachteilen für den Staat verbunden und widersinnig. Wenn Banken, die mit Staatsgeldern vor dem Zusammenbruch gerettet werden, anschließend auf den Zusammenbruch der Staaten Wetten abschließen, die sie gerettet haben, darf das durchaus als wahnsinniges System bezeichnet werden.
Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode
Der oben beschriebene Fall illustriert nur einen kleinen Bereich aus der unübersehbaren Fülle der spekulativen Finanzgeschäfte, die in den letzten Jahrzehnten zum Wohle der Anleger erfunden worden sind. Zur Eröffnung dieses Spielkasinos wurde eine Unzahl von teils sehr komplexen Instrumenten entwickelt, bis selbst Finanzfachleute Schwierigkeiten hatten, alles sachverständig zu durchschauen, und Kontrolleure Schwierigkeiten hatten, sie zu kontrollieren: Zertifikate, alle Arten von Hebelinstrumente, Derivate, Indizes, ‚Ketten-briefkredite‘ und Kreditderivate wie CDS, Absicherungen und Rückabsicherungen von Währungsschwankungen, von fallenden Kursen und von steigenden Kursen usw. Ende August 2011 waren in Deutschland 838.000 spekulative Zertifikate und Hebelpapiere im Umlauf.[15] Und die Betreiber dieser Kasinos verdienten nicht schlecht mit diesen Papieren. John Paulson, der erfolgreichste Spekulant der Welt, hat in der Finanzkrise durch Wetten auf faule Hypotheken-Papiere 20 Milliarden Dollar in seine private Tasche gewirtschaftet.[16]
Die explosionsartige Vermehrung dieser spekulativen Finanzprodukten für Anleger wäre nicht denkbar, ohne die gigantische Vermehrung von Kapital, das nicht in Realwerte und Produktivvermögen investiert ist, sondern als frei floatendes Geldvermögen nach neuen Anlagemöglichkeiten hungert. Anlagen, die nur dazu da sind, unabhängig von der Realökonomie, aus Geld wieder Geld zu machen, das wiederum angelegt sein will. Die Kapitalströme, die auf den Börsen und Finanzmärkten um die Welt bewegt werden, erreichten Billionen-Dollar-Umsätze und übertrafen vor der Weltfinanzkrise 2008 die der Realwirtschaft um das Mehrfache, wie Wilhelm Hankel nachgerechnet hat: »Wie sehr der Rückgriff auf die selbstgeschaffene Kreditmaschine die Bankenwelt um ihren Verstand gebracht hat, illustrieren diese Zahlen: 500 Billionen US-Dollar an Derivaten stehen 50 Billionen Welt-Bruttoinlandsprodukt gegenüber und 10 Billionen Welthandel (2007). Zehn bzw. zwei Prozent dieser astronomischen Summen hätte ausgereicht, Produktion und Handel der gesamten Welt zu finanzieren.«[17] Das enorme Volumen der Kapitalströme spiegelt sich auch im Anstieg der Kreditwirtschaft wider und hatte in der Mitte des ersten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts ein weit überproportionalen Wachstums: 1-2% wuchs Deutschlands Sozialprodukt, 4-5% der Welthandel, aber das Kreditvolumen stieg im selben Zeitrahmen um 15-20%.
Das Volumen der globalen Finanztransaktionen, eines entmenschten Börsenhandel im Millisekundentakt, ist heute (2011), so hat es Sahra Wagenknecht errechnet[18], 73,5-mal höher als die Wirtschaftsleistung der Welt. 1990 hatte diese Relation noch bei 15,3 gelegen.
Wie ist es zu diesem enormen Anstieg an Finanz- gegenüber dem Realkapital gekommen, der eine der wichtigsten Quellen der heutigen Finanzmarktprobleme ist?
Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte man einen Neuanfang wagen und dieser Neuanfang sollte in Deutschland nicht auf dem Fundament des Kapitalismus aufgebaut werden. Selbst die neugegründete CDU hatte sich damals nicht mehr darauf berufen. Im Ahlener Programm vom 3. Februar 1947 konstatierte sie: »Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen. Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein.«[19]
Das Wohlergehen sah man zu Beginn der Bundesrepublik am ehesten in der sozialen Marktwirtschaft aufgehoben, einer gemeinwirtschaftlichen Ordnung, die gleichrangig soziale und wirtschaftliche Gesichtspunkte zu verknüpfen versuchte.
Die Fundamente einer solchen Wirtschaftsordnung sollten sein[20]:
Entscheidende Bedeutung hat bei einer sozial orientierten Marktwirtschaft, die Verhinderung von Monopol- sowie Oligopolunternehmen, denn mit zunehmende Unternehmensgröße ist, wie bereits angedeutet, in der Regel wachsende Marktmacht und mit dieser wiederum wachsender Einfluss auf die politischen Entscheidungsprozesse verbunden. Der Wettbewerb wird ausgehebelt und die Profitinteressen der Unternehmen überlagern die Gemeinwohlinteressen und erschüttern so die Grundfesten der demokratischen Ordnung.
Analysiert man auf dieser Basis die heute bestehende Wirtschaftsordnung, so zeigt sich jedem deutlich sichtbar, wie weit wir uns von der Idee der Gründer der sozialen Markwirtschaft, ja der Marktwirtschaft insgesamt entfernt haben. Dies liegt in erster Linie daran, dass es nicht gelungen ist, das Entstehen von privaten Monopolen und mächtigen und politisch einflussreichen Finanz- und Wirtschaftsunternehmen zu verhindern. Im Gegenteil, die Politik war in den letzten 30-40 Jahren so ausgerichtet, dass sich Markt- und Finanzmacht ungehindert entfalten konnte.
In den 50er und frühen 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts schien die ökonomische Welt der Bundesrepublik noch in Ordnung. Die Banken waren Partner der Unternehmen und Betriebe und stellten auf der Basis der Guthaben ihrer Sparer, deren Gelder ihnen anvertraut waren, Kredite für Investitionen zur Verfügung. Die Unternehmer investierten in ihre Unternehmen, um am Markt konkurrenzfähig zu bleiben, und nicht in unternehmensfremde Finanzprodukte. Unternehmen mit Monopolcharakter, oder solche die Leistungen für die Grundversorgung der Bevölkerung erbrachten waren in öffentlicher Hand oder teilverstaatlicht und existierten neben Privatunternehmen, und es herrschte intensiver Wettbewerb um die besten Produkte. Zur Erinnerung, in Deutschland war 1959 der Staat noch an 478 Wirtschaftbetrieben beteiligt, so unter anderem an dem Energiekonzern VEBA, an Viag, die im Energiesektor sowie im Bereich Chemie und Aluminium tätig war, an den Kieler Howaldtswerke, der Howaldtswerke AG Hamburg, Bundespost, Bahn, Lufthansa, dem Volkswagenwerk und Teilen des Bergbaus. Die Wirtschaft wuchs in diesem gemischten Wirtschaftssystem organisch auf der Basis real erwirtschafteter Wirtschaftgüter und Dienstleistungen. Die soziale Marktwirtschaft war in strikte Regeln und soziale Bezüge eingebunden. Die Sozialisierung von für die Volkswirtschaft wichtigen Schlüsselindustrien und die Eindämmung ökonomischer Machtinseln war am Beginn der Bundesrepublik selbstverständlicher Teil wirtschaftspolitischen Denkens politischer Eliten und der Bevölkerung. So stimmten zum Beispiel in einer Volksbefragung zur Hessischen Verfassung am 1. Dezember 1946 76,8% für diese Verfassung, die in Art. 41 die Sozialisierung von Bergbau, Eisen- und Stahlerzeugung, Energiewirtschaft und Verkehrswesen vorsah.[21]
In den 70er Jahren begann sich das ökonomische Klima zu drehen. Angefangen hat der ökonomische Klimawechsel in den USA. Mit der Aufgabe des Systems von Bretton Woods in den 70er Jahren wurde die mit der Wahl von Franklin D. Roosevelt im Jahre 1932 eingeleitete aktive Rolle des Staates (»New Deal«) zu Grabe getragen. Zu eben dieser Zeit entwarf der US-Ökonom Milton Friedman sein neoliberales Modell, das in den nächsten Jahrzehnten das ökonomische Denken in der Welt verändern würde.[22] Hauptangriffspunkte dieser Theorie waren nach Schulmeister: Die Regulierung der Finanzmärkte sowie die (langfristige) Ineffizienz bzw. Schädlichkeit von Vollbeschäftigungspolitik (Phillips-Kurven-Debatte). Dabei entwickelte diese Theorie eine geniale Doppelstrategie: Aufgrund wissenschaftlicher Empfehlungen werden Probleme geschaffen. Diese werden dann so gedeutet, dass die Schlussfolgerung in den Dienst eines neuen Schrittes neoliberaler Propaganda gestellt werde kann.
Ein Beispiel verdeutlicht die Strategie der neoliberalen Wechselschritte: Die von den Neoliberalen propagierte »Deregulierung der Finanzmärkte bringt in den 1980er Jahren unzählige Finanzinnovationen (Derivate aller Art) hervor, sie erleichtern die Spekulationen mit Aktien, Rohstoffpreisen, Zinssätzen und Wechselkursen, die Instabilität der Preise steigt ... Dies sowie das positive Zins-Wachstums-Differenzial veranlassen immer mehr nicht finanzielle Konzerne statt in Realkapital zu investieren in Finanzkapital zu veranlagen. Dies dämpft das Wirtschaftswachstum nachhaltig. Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung steigen … Dies lässt die Eliten in Europa Anfang der 1990er Jahre wach werden … der Staat muss sparen (Maastricht-Kriterien) … Die Sparpolitik dämpft den Konsum nachhaltig und damit auch das Wirtschaftswachstum, am meisten in jenen Ländern, wo die Staatsquote am stärksten gesenkt wird, insbesondere in Deutschland. In der Folge steigt die Arbeitslosigkeit bis 1997 massiv an … Hohe Arbeitslosigkeit, die Schwächung des Sozialstaats und boomende Märkte machen die Verteilung von Einkommen und Vermögen immer ungleicher …«[23] Und so dreht sich die Spirale immer weiter, bis sich, wie von unsichtbarer Hand geleitet, von selbst erfüllt, was der Neoliberalismus propagiert: Schwächung des (Sozial-)Staats, weitere Privatisierung und private Daseinsvorsorge, Verstärkung der Einkommensunterschiede, Auseinanderklaffen der Gesellschaft.
Auch Naomi Klein hat diesen Siegeszug des neoliberalen Denkens und seine Folgen in ihrem Buch[24] dokumentiert. Vier Jahre lang ist die vielfach ausgezeichnete Journalistin, Kolumnistin und Autorin um die Welt gereist und hat recherchiert. Herausgekommen ist die unglaubliche Geschichte einer der wirkmächtigsten Ideologien unserer Zeit, die eben dieser amerikanische Ökonom Milton Friedman von der University of Chicago und seine Anhänger, die sogenannten 'Chicago Boys', in die Welt gesetzt haben. Seine Doktrin des freien Marktes mit den drei Leitlinien: Deregulierung, Privatisierung und Kürzung staatlicher Leistungen und Abbau des Sozialsystems, wurden weltweit zum Credo marktwirtschaftlicher Wirtschaftspolitik und fand unter anderem auch seinen Niederschlag im sogenannten Washingtoner Consens der Weltbank und des IWF, den unter anderem auch der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz[25] scharf kritisierte.
Auch Naomi Klein sieht in der neoliberalen Strategie durchaus ein System. Angefangen beim Putsch in Uruguay und Chile im Jahr 1973 bis zum Umsturz 1976 in Argentinien und anderswo. So lag schon am Mittwoch, den 12. September 1973, also nur einen Tag nach dem Putsch in Chile und dem ersten Arbeitstag der neuen Junta, der Bericht mit dem Titel ›Ziegelstein‹ der Chicago Boys, die die Junta-Regierung in ökonomischen Fragen berieten, fertig ausgearbeitet und druckfrisch auf den Tischen der Juntamitglieder. Der Umsturz war also von langer Hand geplant und wurde massiv von den amerikanischen Beratern unterstützt. Milton Friedman selbst besuchte Pinochet und machte ihm sein neoliberales Modell des freien Marktes schmackhaft: Wenn er auf einen Schlag alle Regierungseingriffe in den Markt unterlasse, würden die ›Naturgesetze der Wirtschaft und des Marktes‹ wieder ihr Gleichgewicht finden, die Volkswirtschaft bekäme einen Wachstumsschub und die Inflation würde wie durch Zauberhand wieder zurückgehen.
Die Medizin, die dem Land mit diesen Strukturanpassungen, den Firmenzusammenbrüchen, Entlassungen und Lohnkürzungen verabreicht wurde, war bitter. Die Inflationsrate kletterte innerhalb eines Jahres auf 370 Prozent, die höchste Rate der Welt damals. Die Preise der Grundnahrungsmittel stiegen ins unermessliche und die Arbeiter, die mit Lohneinbußen und Arbeitslosigkeit am Existenzminimum lebten, verarmten und konnten ihre Familien nicht mehr ernähren. Die Einzigen, die von diesen Umstrukturierungsmaßnahmen und Privatisierungen profitierten, waren eine kleine politische, militärische und wirtschaftliche Elite und ausländische Investoren.
Dieser sogenannte Katastrophen-Kapitalismus, so Naomi Klein, nutze die Schocks, die diese Ereignisse auslösten, um die Ideologie des freien Marktes in diesen Ländern zu implementieren und den multinationalen, in erster Linie US-amerikanischen Unternehmen über Privatisierung staatseigener Betriebe und Zurückdrängung staatlicher Einflussnahme sowie Aufhebung von Handelsschranken und Etablierung freier Handelsmärkte, die wiederum überwiegend den großen Multis zu Gute kamen, den lukrativen Einstieg in diese Länder zu ebnen. Mit zum Teil verheerenden Folgen für die Menschen in diesen Ländern: Arbeitslosigkeit, Verarmung großer Teile der Bevölkerung, Zerschlagung des Gesundheitssystems, Abbau von Sozialleistungen auf der einen Seite und exorbitante Gewinne für eine kleine Gruppe von Aktionären und Oberschichtangehörigen auf der anderen Seite. »Sie machten«, so Klein, »die Wohlhabenden zu Superreichen und die organisierte Arbeiterklasse zu einer Verfügungsmasse von Mittellosen. Die soziale Polarisierung hat sich überall dort wiederholt, wo die Chicagoer Ideologie triumphierte ... Im Dezember 2006, einen Monat nach Friedmans Tod, kam bei einer UN-Untersuchung heraus, dass die reichsten zwei Prozent aller Erwachsenen auf der Erde über mehr als die Hälfte des weltweiten Haushaltsvermögen verfügen."[26]
Vollendet wurde der Richtungswechsel in der amerikanischen Wirtschaftspolitik in den 80er Jahren durch Ronald Reagan (»der Staat ist das Problem, nicht die Lösung«), von 1981 bis 1989 Präsident der USA, der dieser Wirtschaftpolitik seinen offiziellen Segen gab.
In Europa war es Margret Thatcher, die am 27. Oktober 1986 in Großbritannien den Big Bang des Kasino-Kapitalismus auslöste. Die Finanzmarkt-Zocker konnten dieser Tage ihr 25-jähriges Jubiläum feiern. An diesem Tag im Jahre 1986 entfesselte Margret Thatcher den Finanzmarkt mit den im Unterhaus gesprochenen Worten: »Lasst uns die Regeln (für den Handel an der Börse, HS) wegwerfen, die den Erfolg bremsen." Die große Privatisierungswelle begann, die Gewerkschaften wurden entmachtet und die Banken durften jetzt uneingeschränkt in das Wertpapier- und Investmentgeschäft einsteigen. Die Finanzjongleure und Zocker hatten Hochkonjunktur.
Das, was London vormachte, galt Kontinental-Europa als Vorbild. Die letzten Schranken für einen freien Kapitalfluss und die Einflussnahme des Staates auf die Finanzströme wankten. In zunehmendem Maße wurden Bankgeschäfte außerhalb der aufgeweichten, obschon noch bestehenden Regulierungen getätigt. Der Anteil der Geschäfte der Banken außerhalb der üblichen Regulierungen stieg schnell auf 50 Prozent, wie der Wirtschaftsjournalist Harald Schuman recherchiert hat. Die Banker, Broker und Investmentgesellschaften griffen nach der Macht und gaben sie nicht mehr aus der Hand. Private Equity-Unternehmen und Hedgefonds schossen in den folgenden Jahren wie Pilze aus dem Boden. So gibt es allein über 1000 Hedge-Fonds, die eine Billion Dollar verwalten. Ist schon der Handel mit börsennotierten Papieren lückenhaft, so sind die Aktivitäten von Hedge-Fonds und Private Equity-Unternehmen praktisch unreguliert und nur schwer zu kontrollieren, da sie in der Regel keinen nationalen Geschäftssitz haben. Sie nutzten ihre Freiheiten zu risikoreichen Geschäften mit exorbitant hohen Profitraten. Die Akteure des Kapitalismus hatten einen Spielplatz zur Verfügung gestellt bekommen, auf dem sie sich von nun an ungestört von staatlichen Schranken und demokratischen Willensbildungsprozessen austoben konnten. Sie nutzten ihn trickreich, mit zerstörerischer Kreativität, mit großem Erfindungsreichtum und enormer Profitabilität für die Finanzmarkteliten und Kapitaleigner.
In den 70er Jahren war in den USA die Gehaltsspreizung vom Bestverdienenden zum Durchschnittsverdienst 30:1, Anfang der 90er schon 300:1. Heute im Jahr 2011 zeigt eine Studie, dass »die Top-25-Unternehmen den CEOs mehr Gehalt zahlen, als die Unternehmen an Steuern zahlen. Das ist mittlerweile eine absolute Herrschaft der Reichen und der Superreichen.«[27] Der Durchschnittsverdienst der Top-Manager von Private-Equity und Hedge Fonds betrug 658 Millionen Dollar Jahresverdienst, währenddessen die USA dieser Tage in einem Schuldenberg von über zehn Billionen Dollar versinken. Allein die Auslandsverschuldung der USA wuchs nach Berechnungen von Max Otte[28] in 6 Jahren um über 400% von rund 750 Milliarden im Jahr 2000 auf 3100 Milliarden Dollar (2006). Die Hypothekenschulden explodierten in den USA geradezu um 8000 Billionen (!) Dollar in den 20 Jahren von 1986 bis 2006. [29]
Heute ernten wir die Früchte dieser neoliberalen Orgien: Weltfinanzkrise 2008, überschuldete Staaten, nicht zuletzt auch wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise, und die EU ringt aktuell (2011/12) um ihr Überleben und Millionen Menschen um ihre Gesundheit. Die Krankschreibungen wegen Erschöpfungssymptomen wie Burnout haben sich zwischen 2004 und 2010 verneunfacht. 30% der arbeitenden Bevölkerung sind von einer schweren Erschöpfung betroffen.[30] Wichtigster Grund: die Überbewertung von Arbeit, die Selbstdefinition als ausschließliche Produktivkraft, das Selbsterleben als Ware in unserer Gesellschaft.
Das Spiel ist aus Mr. Fuld
Am Sonntag, den 14. September 2008 traf sich in Washington eine illustre Runde, um über das Schicksal des ›Gorilla‹, wie der Boss von Lehman Brothers, Richard Fuld, wegen seiner überheblichen, arroganten und skrupellosen Art von Insidern genannt wurde. Er war in der Branche sehr unbeliebt und viele wünschten sich ihn zum Teufel. An der Sonntagssitzung nahmen neben den Chefs der großen Banken und Investmenthäuser unter anderem auch Henry Paulson, der Finanzminister und frühere Goldman Sachs CEO, der Fuld gut kennt, und Ben Bernanke, der Notenbankchef, teil. Sie beschlossen Lehman Brothers fallen zu lassen – ob persönliche Gründe dabei eine Rolle gespielt haben, ist unbekannt, aber nicht ganz auszuschließen. Am nächsten Tag musste, wie bereits schon früher die Immobilienriesen Freddie Mac und Fannie Mae, auch Lehman Brothers Insolvenz anmelden. Die Weltwirtschafts- und Finanzkrise hatte ein Gesicht bekommen – und möglicherweise rieben sich seine Konkurrenten von Goldman Sachs, Stanley Morgen, Merill Lynch, und wie sie alle heißen, die Hände, waren sie doch ihren ärgsten Konkurrenten los.
Das Datum und die Folgen aus diesem Beschluss markieren einen tiefen Einschnitt in eine Entwicklung[31], die bis dahin mehr oder weniger von der Politik, den Wirtschaftsfachleuten und den Medien, aber auch großen Teilen der Bevölkerung gutgeheißen wurde. Der 15. September 2008 markiert aber auch einen Wendepunkt, der zu neuen Denkansätzen zwingt, wenn man aus der Krise herauskommen will. Die Überschuldung ist nur eine Seite der Medaille, die andere Seite ist die riesige Blase an privatem Vermögen in Form von Anlagen und Kreditpapieren. Was des einen seine Schulden sind, ist des anderen sein Vermögen und Gewinn in Form von Zinsen und Dividenden. Die Wirtschaftsleistung der Welt beträgt 44,5 Billionen Dollar. Die privaten Anlagen an Kreditpapieren und Unternehmensbonds sind 2006 nahezu gleich groß und betragen weltweit 43 Billionen Dollar.[32]
Wie konnte es zu dieser gewaltigen, nichtinvestierten und nicht produktiv eingesetzten, Kapitalakkumulation kommen?
Hierbei lohnt es sich, einen kurzen Blick auf das Finanzsystem zu werfen.
Im Zuge der Deregulierung der letzten Jahrzehnte haben die Banken bei der Absicherung ihrer Aktivitäten zunehmend auf Interbankenkredite zurückgegriffen und mussten infolge dieser Modalitäten erstens weniger auf die Zahlungsfähigkeit achten (sie konnten bei Zahlungsschwierigkeiten ja jederzeit neue Kredite bekommen) und entsprechend weniger Kapital bei den Zentralbanken hinterlegen (Reservekonto), und sie mussten zweitens ihre Kredite mit weniger Eigenkapital unterlegen. Das ist so lange kein Problem, solange die Banken sich untereinander vertrauen.
Im Zuge des Basel I und II Abkommens Ende der 80er Jahre sind die Banken verpflichtet worden, ihre Kredite mit einer ungewichteten Eigenkapitalquote von 8% zu unterlegen. Damit, so könnte man meinen, wäre eine Bank in der Lage, mit 1 Million Euro 12,5 Millionen Euro Kredit zu generieren. Aber dies ist Augenwischerei, da die 8% nicht für jeden Kredit gelten. Je nach Risiko muss nur ein bestimmter Anteil der Kreditsumme mit 8% Eigenkapital unterlegt werden. Für Banken und OECD-Ländern und erstklassig benotete Investmentgesellschaft gilt zum Beispiel eine Risikogewichtung von 20%. Wenn also die in Insolvenz gegangene erstklassige Investmentbank Lehman Brothers sich damals bei einer anderen Bank einen Kredit von 10 Millionen Dollar besorgt hätte, würde sich dieser bei der kreditgewährenden Bank nur als Risikoaktiva von 2 Millionen Dollar niederschlagen. Nur diese Summe muss dann mit 8% Eigenkapital unterlegt werden, also mit 160.000 Dollar. Das heißt, nur 1,6% der Verluste wären im Pleitefall gedeckt. Rechnet man umgekehrt, kann man also für einen Dollar 62,5 Dollar Kredit schaffen, das ist ein Multiplikator von 62,5. Das bestehende Regelwerk bedeutet also für die Finanzdienstleister eine Lizenz zum Gelddrucken, denn »die Banken können sich gegenseitig zu mehr oder minder »innovativem« Eigenkapital verhelfen, mit diesem Eigenkapital neues Kreditgeld schaffen, mit dem Kreditgeld, wenn nötig, wieder Eigenkapital und so noch mehr Kredit.« (S. 74) So hatte die Deutsche Bank zum Beispiel im Jahr 2007 Eigenkapital von unter 30 Milliarden Euro und bewegte damit Aktiva von über 2000 Milliarden Euro (S. 71).
Dieses Verhalten der Banken spiegelt sich deutlich in der Kreditvergabe wider. Bei großen Banken betrug 1999 in Deutschland der Anteil an Interbankenkrediten 35%. Bis 2007 stieg der Prozentsatz auf 55%. Als nach der großen Vertrauenskrise der Banken untereinander der Interbankenmarkt mit Hilfe des Staates reaktiviert wurde betrug er 2009 immer noch 50%. Das bedeutet, jeder 2. Krediteuro einer Großbank geht in Deutschland an eine andere Bank, wird also nicht investiert. (In den USA gingen 2007 sogar absurde 80% an andere Banken (S. 39f.)). Darunter hatten in erster Linie die sogenannten KMUs (kleine und mittelständische Unternehmen mit bis zu 500 Millionen Euro Umsatz) und kleine Unternehmen und Betriebe bis 10 Beschäftigte zu leiden. Den KMUs wurden 2008 16% der Kredite und den kleinen Betrieben mit bis zu 10 Beschäftigten 26% der beantragten Kredite verweigert (S. 37).
Fragt man sich weiter, wo diese Unsummen an Geld bleiben und warum sie nur kleine Inflationsraten verursachen, so stellt man fest, dass dieses Geldvermögen die Gütermärkte kaum berührt und nur geringe Konsumwirkung hat. Stattdessen bleibt dieses Geld im Finanzmarkt. Mit dem Geld werden Anleihen, Aktien und verbriefte Kreditpapiere gekauft und es wirkt hier tatsächlich inflationär, indem die Kaufnachfrage die Preise dieser Wertpapiere nach oben treibt, was man dann allerdings nicht mehr Inflation, sondern »Wertsteigerung« nennt und Ausdruck erfolgreicher Wirtschaftsentwicklung ist (S. 79). So hat sich von 1991-2008 der Wert von Aktien, Anleihen und anderen Wertpapieren in den Büchern der Großbanken auf das 18fache erhöht (S. 40).
Neben dieser einzigartigen und mehr oder weniger unkontrollierten Vermehrung des Kapitals als solcher kommt die außergewöhnliche Konzentration dieser Vermögenswerte in der Hand Weniger als zusätzlicher Machtfaktor hinzu.
Das globale Investmentbanking wird von einem Oligopol von 12 Finanzgiganten beherrscht. Nur maximal 20 Banken weltweit ist es erlaubt, auf dem sogenannten Parkett des Primärmarkts mitzuspielen (S. 55). Hier wird die billionenschwere Flut der unterschiedlichsten Papiere (sämtliche Derivate und alle Arten von Kreditausfallversicherungen und Schuldverschreibungen) zusammengebastelt und dann über die Sekundärmärkte an die Anleger weitergereicht. Die Investmentbanken des Primärmarktes sind also weitgehend konkurrenzlos und können die sogenannten Finanzinnovationen entsprechend teuer auf dem Finanzmarkt verkaufen und machen bei jedem dieser Geschäfte lukrative Gewinne. 7 Großbanken beherrschen mehr als 90% des Derivatehandels mit einem Volumen von 200 Billionen Dollar, und nur 5 Häuser (J.P. Morgan, Goldman Sachs, Morgan Stanley, Barclays Group und die Deutsche Bank) teilen sich den Markt für Kreditausfallversicherungen (CDS) von insgesamt 60 Billionen Dollar (S. 56).
Aber nicht nur bei den Banken und Investmenthäusern weiten sich die Konzentrationsprozesse aus: Die Renditen, die im Finanzsektor verdient werden, üben auch auf die Großkonzerne der Realwirtschaft ihren Reiz aus. Warum investieren, so fragen sich wohl viele Manager in den Chefetagen von Großunternehmen, wenn man anders scheinbar leichter und mehr Geld verdienen kann. So stiegen immer mehr Unternehmen in den Finanzmarkt ein, um ihre Renditen zu erhöhen und die Aktienkurse nach oben zu treiben.
Die Porsche AG verdiente 2006/2007 viermal so viel bei Finanzoperationen wie mit dem Verkauf ihrer Sportwagen, blieb dann allerdings nach dem Crash auf einem Milliardenverlust hängen.
Die Investitionsausgaben deutscher Firmen sanken im Zeitraum von 1993 bis 1999 von 75,6 auf 60,4% des Cashflows, die Ausgaben für Aktien und Investmentzertifikate und Beteiligungen stiegen demgegenüber von 1,9% auf 27,6% (S. 94f.).
Die Relation von Sachkapital zu Finanzvermögen amerikanischer Produktionsunternehmen veränderte sich von den 50er Jahren bis zum Jahr 2000 von 4:1 auf 1:1, jeder zweite Dollar wird heute also in den Finanzmarkt gepumpt und nicht in das Unternehmen investiert (S. 94f.).
Wie in Deutschland und den USA hat sich global der Konzentrationsprozess fortgesetzt. Die 500 größten Weltkonzerne kontrollieren die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung. Zwei Drittel des Welthandels werden von und zwischen diesen Konzernen abgewickelt. Und entsprechend der gestiegenen Bedeutung des Finanzmarktes ist auch hier im letzten Jahrzehnt die Profitentwicklung explodiert und hat sich von 1994 bis 2007 von 250 Milliarden auf 1592 Milliarden Dollar versechsfacht (91f.).
Das nicht-konsumtive[33] Vermögen, also Produktivvermögen oder Geldvermögen, das sich aus Dividenden, Zinsen und Gewinnen generiert, beträgt in Deutschland 600 Milliarden Euro und entspricht etwa einem Drittel des Volkseinkommens. Die Nettoanlageninvestition liegt seit Jahren jedoch unter 100 Milliarden Euro (S. 131). Das bedeutet, dass etwa 5/6 des nicht-konsumtiven Einkommens in Anlagemöglichkeiten investiert werden, die vom Finanzsektor zur Verfügung gestellt werden. Diese 500 Milliarden Euro sind ganz überwiegend in der Hand von 1% der Bevölkerung. Dieses Prozent repräsentiert nicht den normalen Arbeitnehmer und Einkommensbezieher, sondern den kleinen Kreis von etwa 800.000 Millionären und Multimillionären. Von den 80 Millionen Menschen in Deutschland haben also etwa 79 Millionen keinen Zugriff auf dieses Geldvermögen (S. 130).
»Die große Zeit eines sozialdemokratischen Marxismus, eines Kapitalismus mit menschlichem Antlitz, waren die 50er und 60er Jahre« sagt der hochangesehene britische Sozial- und Wirtschaftshistoriker Eric Hobsbawn in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau. Und ab den 70er Jahren, so Hobsbawn weiter, war es »nicht mehr möglich, sowohl den Unternehmen genug Profit und den Arbeitnehmern genügend Lohnzuwächse zugleich zu ermöglichen.«[34] Der durchschnittliche reale Nettoverdienst lag in Deutschland 2006, mitten im Aufschwung, auf dem Niveau von 1986 (S. 139)[35], während die Profit- und Vermögenseinkommen explodierten. 20 Jahre Wirtschaftsentwicklung sind an den Beschäftigten ohne Wohlstandseffekte vorbeigegangen.
Um die Binnennachfrage und damit die Konjunktur zu stärken, wäre es sinnvoll, die frei floatenden Profite von 500 Milliarden Euro im konsumtiven Sektor anzulegen: Investitionen in die Beschäftigten, indem höhere Löhne gezahlt werden, Investitionen in Anlagen und Produktinnovationen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, oder Tilgung der Staatsschulden, in dem von den Vermögensbesitzern höhere Steuern erhoben werden. Was geschieht aber tatsächlich? Das gewaltige Kapital verlangt nach Zinsen und Profit. Die Vermögenswerte werden wieder in Wertpapiere mit möglichst hohen Renditen angelegt, unabhängig davon, ob dies eine sinnvolle Verwendung ist oder nicht, und bleiben somit als immer größer werdende »Blase« dem Finanzsektor erhalten. Nach den Zahlen des Vermögensreports der Investmentbank Merill Lynch besaßen allein die etwa 3 Millionen europäischen Millionäre Ende 2009 ein Finanzvermögen von 9,4 Billionen Euro, etwa so viel wie die EU-Staaten an Schulden haben. 2007 betrug das Vermögen der Millionäre 7,5 Billionen Euro. In nur 2 Jahren ist es also um knapp 2 Billionen angeschwollen. Millionärsvermögen und Staatsschulden sind in den letzten 20 Jahren weitgehend im Gleichschritt gewachsen. Eine Vermögensblase steht der Schuldenblase gegenüber. Der Zusammenhang ist schwerlich zu übersehen.
Diese Blase des Finanzsektors ist im Jahr 2008 das erste Mal geplatzt und hat nicht nur das Bankensystem, sondern auch die Weltwirtschaft an den Rand einer Mega-Katastrophe geführt. Das Blut des Misstrauens war damals auf dem Höhepunkt der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 ins Haifischbecken gesickert und die Haifische begannen sich gegenseitig zu zerfleischen. Die Banken gaben sich gegenseitig keine Kredite mehr, jede Bank versuchte sich zu retten, der Interbankenkreditfluss kam praktisch zum Erliegen.
Da es kein funktionierendes, systemimmanentes Krisenmanagement zum Aufbau von Vertrauen gab, wurde der Ruf nach dem Staat laut. Paradoxerweise gerade von denen, die sich bisher am stärksten gegen Staatseinflüsse gewehrt haben, den Finanzinstituten. Beispiellose Milliardenbeträge wurden damals vom Staat in die Märkte gepumpt. In den USA waren es im Oktober/November 2008 700 Milliarden Dollar, in Deutschland handelte es sich um eine Finanzhilfe von 500 Milliarden Euro. 80 Milliarden Euro für eine Kreditermächtigung, mit der Finanzspritzen für die Unternehmen zur Eigenkapitalstärkung und mögliche Risikoübernahmen finanziert wurden, und eine 400-Milliarden-Euro-Bürgschaft für die Banken. Die Bürgschaft ist mit einem Verlustrisiko von fünf Prozent behaftet. 20 Milliarden Euro könnten als zusätzliche tatsächliche Belastungen aus dem Fonds auf den Haushalt zukommen, würden also von uns Steuerzahlern zu begleichen sein.
Um die Größenordnung dieser Belastungen zu verdeutlichen: Die Hartz IV-Ausgaben insgesamt betrugen demgegenüber 22 Milliarden Euro.
Auch die Deutsche Bank wurde indirekt durch die staatliche Rettung der IKB, der HRE, die AIG und andere vor der Insolvenz bewahrt. Sahra Wagenknecht hat errechnet, dass ohne diese Rettungsmaßnahmen das Eigenkapital der Deutschen Bank um 20 Milliarden Euro belastet worden wäre. Bei einem Eigenkapital von knapp 30 Milliarden hätte sie mehr als 20 Milliarden abschreiben müssen und wäre also bankrott gegangen.[36]
Die Erosion des Sozialen
»Ich glaube, es ist ein Riesenproblem der Gegenwart, dass die Entwicklung des Kapitalismus im letzten halben Jahrhundert die moralische Konvention ausgehöhlt hat. Die Regeln, die die menschliche Existenz eingrenzen, wurden durch den grenzenlosen Kapitalismus allesamt zerstört.« So die pessimistische Analyse Eric Hobsbawns in einem Interview.[37]
Das kapitalistische Wirtschaften vernichtet alles, was sich im Markt nicht durchzusetzen vermag oder sich den ungebändigten Kräften des Marktgeschehens entgegenstellt. Es gibt nach den kapitalistischen Maximen nur noch Sieger und Besiegte, oder Hammer oder Amboss, wie sich Oskar Negt einmal ausdrückte. Dazwischen erodiert die soziale Landschaft.
»Wenn es richtig ist, dass Stagnation, Handlungsunfähigkeit, Perspektivlosigkeit und Zukunftsangst gegenwärtig die dominierenden Gefühle weiter Teile der Bevölkerung beschreiben, dann liegt sozialpsychologisch der Schluss nahe, dass die deutsche Gesellschaft sich in einem höchst labilen Zustand befindet. Dieser Zustand von Labilität ist im Augenblick noch nicht in aller Deutlichkeit sichtbar, weil er sich in einem Gehäuse entfaltet, das nach wie vor durch ein relativ hohes materielles Niveau … charakterisiert ist.“ Dies schrieb Harald Welzer, Professor an der Universität Witten-Herdecke, im November 2002. Heute ist auch das materielle Niveau gefährdet, nicht nur für das untere Viertel der Gesellschaft (»die Besiegten«), sondern auch für die mittlere Mittelstands-Hälfte (diejenigen zwischen »Sieger und Besiegten«). Lediglich das obere Viertel (»die Sieger«) hat, wie ich oben zu zeigen versucht habe, vom Kapitalismus profitiert. Der von Welzer vor neun Jahren diagnostizierte »höchst labile Zustand« droht bei der Mehrheit der Bevölkerung zu kippen.
Der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidtbauer hat in einem Interview mit dem Zeit Magazin zu der Finanzkrise des Jahrs 2009 gesagt: »Wirklich besorgniserregend ist die Erkenntnis, dass die Experten nicht wissen, welche Werkzeuge sie wie handhaben müssen. Und wenn die Experten nicht wissen, wer dann? Darüber muss man sich Gedanken machen … Wie könnte man die Leute, die es im Voraus gewusst haben, gesellschaftlich so stärken, dass sie uns beim nächsten Mal nicht nur rechtzeitig warnen, sondern wir ihnen auch glauben? Und wie kann man gleichzeitig die breite Masse von Pseudoexperten, die nicht wissen, welche Folgen ihre Ratschläge und ihr falscher Trost haben, so schwächen, dass ihnen niemand mehr hinterherläuft? … Jetzt hätten wir eine Chance, dass man aus diesen Erfahrungen lernt … [Die Probleme] sind nur lösbar, wenn die Experten wieder mehrheitlich das Gemeinwohl bedenken und nicht Schneeballsysteme basteln.«[38]
Bis heute, gut zwei Jahre nach dem Höhepunkt des Finanzmarkt-Crash, ist in dieser Richtung nichts wirklich Entscheidendes geschehen und die Idee, dass der Markt sich selbst zu kontrollieren vermag und sich naturgemäß auf eine Stabilität zubewegt, ist sinnloser denn je.
Die beabsichtigten oder unbeabsichtigten Folgen des Marktliberalismus spiegeln sich in den Menschen, die sich in ein solches System eingebunden sehen, in Gefühlen von Unstetigkeit, Orientierungslosigkeit, Schutzlosigkeit, Misstrauen, Unsicherheit und Angst wider.[39] Der Fundus enttäuschter Glückserwartungen, uneingelöster narzisstischer Ansprüche und verletzten Selbstwertes wächst. Die Arbeitnehmer, die sich in der Krise für ihr Unternehmen eingesetzt und finanzielle Einbußen hingenommen hatten, fühlen sich ausgenutzt, leiden unter der Nichtanerkennung ihrer Person – und ihrer Leistung. Das Gefühl des Ausgeliefertseins und der Ohnmacht, gekoppelt mit der um sich greifenden gesellschaftlichen Nichtanerkennung erbrachter Leistungen, wird begleitet auch von der Angst vor Identitätsverlust.
Kaufen, verkaufen (auch sich selbst), das Entwickeln von Unternehmermentalitäten wird von dem neoliberalen Wirtschaftfundamentalismus als Schlüsselqualifikationen an die Bürger formuliert. Soziale Bindungskräfte und Solidarität wirkten da eher wie Sand im Getriebe. In einer Gesellschaft, in der alle Unternehmer sind, steht jeder gegen jeden. Erst recht natürlich, wenn, wie jetzt, die materielle Basis prekär wird. Misstrauen breitet sich aus. Zum einen bröckelt die Vertrauensbasis gegenüber den wirtschaftlichen Eliten. Zum anderen gegenüber den politischen Eliten und Parteien, die dieses Modell gestützt hatten. Der politische Vertrauensverlust wird sichtbar in den Wahlenthaltungen wie auch den miserablen Politikerbewertungen und hat aufgrund der Untätigkeit der politischen und wirtschaftlichen Eliten bis heute, wo neue Krisen den Himmel verdüstern, stetig zugenommen.
Immer mehr gesellschaftliche Handlungsfelder sind in den Sog der Ökonomie geraten und wurden und werden kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten unterworfen. Die Ökonomisierung der Gesellschaft und des Denkens hat bedrohliche Ausmaße angenommen. Schulen, Universitäten, Pflegeheime und Krankenhäusern werden unter ökonomischen und Renditegesichtspunkten geführt, Nutzer dieser Einrichtungen wandeln sich zum Kunden, die Beziehung zwischen diesen Einrichtungen und den Menschen, die sie in Anspruch nehmen, zur abstrakten Kundenbeziehung.
»Es ist ein kennzeichnendes Merkmal der gegenwärtigen Funktionsweise des Kapitalismus und des Warenverkehrs, dass Menschen fortwährend angestachelt werden, ihre Ich-Bezogenheit möglichst bedenkenlos in Wirtschaftskraft umzusetzen; in diesem sozial-darwinistisch ablaufenden Überlebenskampf gibt es offenbar kein Drittes: Entweder Amboß oder Hammer, entweder Verlierer oder Gewinner.«[40] Das Zitat von Oskar Negt beleuchtet schlaglichtartig den Zustand unserer Gesellschaft. Profitstreben, die Sicherung des eigenen Gewinns auf Kosten der Niederlage anderer. Der neue Mensch, der sich an der Ethik des Erfolgs orientiert, so Negt weiter, ist definiert als der allseitig verfügbare Mensch, in dem sich Ruhelosigkeit und das Getriebensein zur Ideologie der selbst gesetzten und autonomen Bewegungsfreiheit verfestigt haben.
Diese Bestrebungen selbst sind nichts Neues. Neu ist der hohe, seit Jahrzehnten nahezu unwidersprochene Stellenwert, den nicht kooperative Ziele in der heutigen Gesellschaft einnehmen. So sieht auch Oskar Negt die absolut neue Situation darin, dass »die Kapital- und Marktlogik von nahezu allen Barrieren, Kontrollen, Widerständen, Gegenmachtpositionen befreit ist«, und zieht den Schluss, dass die »Erosion dieser kollektiven Widerstandspotentiale, ob sie nun den Staat, die sozialen Sicherungssysteme oder die Kampfbereitschaft von Organisationen der Arbeiterbewegung betreffen, den solidarischen Zusammenhalt der Gesellschaft gefährdet«.[41]
Mit der Okkupierung der sozialen Macht durch den Markt und seine Mechanismen verwandelt sich der Mensch vom Subjekt zum Objekt des Geschehens. Die Erwerbsgesellschaft verwandelt sich in eine Gesellschaft von ›Jobholders‹, in der der Einzelne nur noch im Sinne kapitalorientierter Marktregeln funktioniert, wie das Hannah Arendt[42] schon in den Sechzigerjahren vorausgesehen hat. Im Kampf aller gegen alle um Arbeitsplätze und seinen Anteil am Wohlstand tritt Einzelkämpfertum an die Stelle von Solidarität. Die kapitalistische Marktwirtschaft mag allenfalls, so Marion Dönhoff, »den Magen kurieren, die Seele aber wird ruiniert ... Alles ist konzentriert aufs Produzieren und Konsumieren. Alles andere ist an die Peripherie gedrängt: alles Humane, die Kunst, Ethik.«[43]
Und sie erodiert die Identität der Gesellschaftsmitglieder. Der von Oskar Negt eingeführte Begriff der ›Erosionskrise‹ macht dies deutlich. Von den herkömmlichen Krisen unterscheidet sich nach Negt die Erosionskrise insbesondere dadurch, dass »sie die Subjekte in ihrer seelischen, körperlichen und geistigen Grundausstattung erfassen. Krisen diesen Typs verändern die Subjekte in ihren wichtigsten Lebensäußerungen, in ihrem Arbeitsverhalten, in ihrem Selbstwertgefühl, in ihren Wert- und Bedürfnisorientierungen ... [Charakteristisch hierfür ist] eine Norm- und Orientierungslosigkeit, die in den Individuen, auch wenn ihre soziale Lage, ja, die der Gesamtgesellschaft relativ stabil erscheint, Gefühle der Vereinsamung und Verlassenheit, Angstzustände aus Macht- und Hilflosigkeit bewirkt.«[44]
In den letzten 30 Jahren ist eine starke Tendenz zu beobachten, dass sich der Staat, wie ich zu zeigen versucht habe, als Regulator wirtschaftlicher und sozialer Prozesse zurückzieht und die Risiken kapitalistischen Wirtschaftens den atomisierten Individuen überlässt. Wenn jemand nicht stark genug ist und sich in dieser von marktwirtschaftlichen Gesetzen dominierten Gesellschaft nicht entsprechend gut verkaufen kann, muss er eben Bankrott anmelden – wie in der Wirtschaft auch. Die Gesellschaft als Ganzes wie auch die politische und wirtschaftliche Elite unserer Gesellschaft im Besonderen ist in vielen Bereichen der Handlungsorientierung und des Denkens nicht mehr sehr weit von diesem idealtypischen marketing-gestylten Homo Ökonomicus entfernt ist.
Indiz dafür ist, dass kein Sturm der Entrüstung durch das Land fegte, als der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Wolfgang Wiegard, bei der Vorstellung des Jahresgutachtens im November 2002 der Bundesregierung empfahl: »Wir brauchen in Deutschland mehr soziale Ungleichheit, um mehr Beschäftigung zu bekommen.«[45] Ein Indiz für den Verfall von Verantwortungsgefühl ist auch, wenn Spitzenmanager eines Unternehmens in einem Atemzug Milliardengewinne und gleichzeitig den Abbau von Tausenden von Arbeitsplätzen verkünden. Ein solch rücksichtsloses unternehmerisches Denken wird von dem marktwirtschaftlich durchtränkten Homo Ökonomicus offenbar hingenommen, ohne dass die Unternehmen einen Aufstand befürchten müssen.
»Nie zuvor in der Geschichte ist der Kapitalismus so sehr von kulturellen Barrieren befreit gewesen, sein eigenes Bild vom Menschen, das an Konkurrenz, Überlebenstraining, auch räuberischem Besitzindividualismus orientiert ist, zu einer die Ethik einer ganzen Gesellschaft bestimmenden Weltsicht zu machen«, sagt Oskar Negt[46]. Und Roger Willemsen drückt diesen gesellschaftlichen Zustand in seinem Buch ›Deutschlandreise‹ so aus: »Unvorstellbar, welche Kultur man haben könnte, wenn man an Problemen arbeitete statt an Bilanzen, wenn jeder nur das täte, was er gesellschaftlich für wichtig, und nicht, was er für profitabel hält.«[47]
Vor diesem Hintergrund muss im Mittelpunkt jeder Politik mehr denn je der Mensch, dessen Würde und Einzigartigkeit, dessen Wohlergehen und dessen physisches und psycho-soziales Wohlempfinden stehen. Wirtschaftswachstum ist kein Fetisch und kein Wert an sich. Wirtschaftswachstum ist nur dann sinnvoll, wenn es den Wohlstand mehrt und Arbeitsplätze schafft, nicht aber, wenn er dazu führt, dass die Gewinne der Unternehmen steigen, die innerhalb des Finanzmarktes bleiben und als Geldvermehrungsmaschine dienen. Ziel muss die positive Wertschöpfung und die Steigerung des »privaten wie gemeinschaftlichen Wohlstands«[48] sein, nicht eine blinde Steigerung einer Betriebsbilanz wie das Bruttoinnlandprodukt (BIP). Das BIP, aktueller Gradmesser des Wirtschaftswachstums, kennt nur ›schwarze‹ Zahlen. Das bedeutet, auch ›Misswertschöpfung‹ (Wolfgang Sachs), wie zum Beispiel die Kosten, die bei einer Umweltkatastrophe entstehen, schlägt sich positiv in der Bilanz des BIP nieder und trägt zum Wachstum des BIP bei.
Und wir müssen Arbeit entwerten. Arbeit als einzige oder dominante Art der Selbstverwirklichung muss einer Kultur des Genusses zur Seite gestellt werden[49] – Lernziel Lebensgenuss als Widerpart zu den unersättlichen Ansprüchen der Hochleistungsgesellschaft. Genießen-Lernen im Sinn von zweckfreiem, angstfreiem Sein, von der Befreiung vom Terror der Zeit, von Hinwendung zum Schönen und Abkehr vom Produktiven.
»Banken entmachten, Reichtum umverteilen, Demokratie erkämpfen«[50]
»Die jetzige große Krise stellt das Endprodukts des Wandels von realkapitalistischen zu finanzpolitischen Rahmenbedingungen dar (gewissermaßen die Frucht aus neoliberaler Blüte).«[51] Die Theorie des neoliberalen freien Marktes, in dem sich »das Gewinnstreben auf die selbstreferenzielle Geldvermehrung konzentriert hat« (so die Definition von Finanzkapitalismus bei Schulmeister, ebda. S. 37), hat sich als Irrweg erwiesen.
Die Frage ist, durch was wird sie ersetzt? Geht es um die Bereiche Politik, Ökonomie und Gesellschaft gibt es keine wahre, unzweifelhafte Objektivität – und also auch keine Alternativlosigkeit. In den Auseinandersetzungen der Experten stoßen die Meinungen hart aufeinander. Auf eine Expertise folgt prompt eine Gegenexpertise, die für ihre Argumentationslinie und ihren Standpunkt gute Gründe vorzubringen in der Lage ist. »Gebraucht wird eine Vision von einer Gesellschaft«, so der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Rudolf Hickel, »die die Effizienzvorteile der Märkte nützt, jedoch den Wettbewerb in eine politische Ordnung ökonomisch, sozial und ökologisch zielgerichtet einbindet.«[52] Gefordert ist eine grundsätzliche Diskussion darüber, wie die Allmachtposition der Ökonomie gebrochen werden kann, was das Ziel eines Gemeinwesens ist und wie das Ziel erreicht werden kann. Die Entscheidung darüber, was gemeinschaftlich und das gemeinschaftliche Ziel ist, bestimmen die Bürgerinnen und Bürger, und im Auftrag der BürgerInnen das Parlament – und nicht die Ökonomie.
Jetzt, in Zeiten der Krise, haben Gedankengänge und Thesen, die lange Zeit belächelt oder geringschätzig beiseitegelegt wurden, wieder eine Chance, ernsthaft diskutiert zu werden. Peter Ulrich, Professor und Gründer des Instituts für Wirtschaftsethik in St. Gallen, erinnert daran, weil es offenbar in Vergessenheit geraten ist: »Die normative Logik des Vorteilstauschs ist keineswegs identisch mit der Zwischenmenschlichkeit, also dem Kern der ethischen Vernunft … Die Gesichtspunkte, die für das gute Leben und Zusammenleben zählen, insbesondere die Gerechtigkeit, können nicht auf Effizienz reduziert werden.«[53]
Die Krise hat viele zum Einlenken und Umdenken bekehrt. Sie bietet nun die Chance für eine neue Diskussion verantwortungsvollen, nachhaltigen Wirtschaftens in sozialer Verantwortung. Dass Jack Welch, der ehemalige Chef des US-Konzerns General Electric (GE), der Financial Times kundtat, dass »Shareholder-Value die dümmste Idee der Welt« sei, lässt aufhorchen. War Welch doch als ein Manager mit skrupellosen Methoden und für seine sehr harte Gangart bekannt, um seine Aktionäre zufrieden zu stimmen. Ein Umdenken, bei dem der Mensch nicht auf Effizienz reduziert ist und nicht »die normative Logik des Vorteilstauschs« im Mittelpunkt steht, ist mehr als notwendig, um die schmerzenden sozialen Wunden zu therapieren. Die Erosionskraft neoliberalen Wirtschaftens auf die Gesellschaft ist durch die Ereignisse in den Jahren 2008 bis 2012 bestätigt worden und heute bittere Realität. Die Propheten, die den zügellosen freien Markt und Shareholder-Value als Motor eines allgemeinen Wohlstandes rechtfertigten, und unter diesem Deckmantel die Aktionärsrechte erweiterten und die Finanzmärkte liberalisierten, haben falsch prophezeit und saßen einem fundamentalen Irrglauben auf. Sie haben der Welt, der Wirtschaft und mehr noch der Gesellschaft großen Schaden zugefügt, der nur schwer wieder zu beheben sein wird.
Leitlinien eines Demokratischen Marktsozialismus
Im Folgenden soll versucht werden, Leitlinien einer neuen sozialen Wirtschaftsordnung zu skizzieren und zur Diskussion zu stellen, in der die Ideologie des Kapitalismus als dominantes Merkmal des
Wirtschaftgeschehens keinen Platz mehr hat.
Basis eines solchen Ansatzes muss meines Erachtens sein:
- die Wirtschaft wieder in den Dienst des Menschen zustellen, sozialen und wirtschaftlichen Wohlstand zu sichern und ein menschenwürdiges Leben in solidarischer und demokratischer Verantwortung zu ermöglichen, und
- die Ordnungsfunktion des Staates und der Politik, national und international mit Blick auf die Stärkung des Steuerungsprinzips ›Kooperation‹ gegenüber dem Steuerungsprinzip ›Konkurrenz bzw. Markt‹ sowie die Stärkung der Interessen von Realkapital und Arbeit[54] zu verbessern.
Wie bereits die Gründer der sozialen Marktwirtschaft gesehen und formuliert haben, ist unabdingbare Voraussetzung für eine soziale Wirtschaftsordnung die Begrenzung wirtschaftlicher Macht und politischer Herrschaft. Letzteres wird durch die demokratische Prinzipien und Institutionen zu erreichen versucht. Die Begrenzung wirtschaftlicher Macht ist fehlgeschlagen und gefährdet nicht nur die Demokratie, sondern erodiert auch das soziale Leben und die Würde des Menschen, wie oben gezeigt wurde. Aus diesem Grund ist eine grundlegende Struktur-Reform des Wirtschaftens und eine strikte Regulierung des Marktes und einzelner Marktteilnehmer unentbehrlich. Auch, wenn viele Aspekte des hier vorgestellten Demokratischen Marktsozialismus (DMS) ihre volle Wirkung erst bei internationaler Implementierung entfalten, so sollte angesichts der dringenden Probleme, wie schon beim Atomausstieg, nicht auf den Konsens der Welt gewartet werden, sondern mutig im eigenen Land und der EU oder zumindest den Euro-Staaten vorangeschritten werden. Auch wenn wir damit Gefahr laufen von den US-Amerikanern als Kommunisten verschrien zu werden, wie das der US-amerikanische Investor Guy Wyser-Pratt getan hat, als er in einer ARTE-Sendung Deutschland und Frankreich als sozialistisch und kommunistisch bezeichnete, weil hier seiner Meinung nach das freie Spiel der Marktkräfte behindert werde.
Demokratischer Marktsozialismus intendiert, die gegenwärtige Praxis des Wirtschaftens umzudrehen. Heute praktizieren das Kapital und die Banken eine Art Sozialismus, indem sie sich die Infrastruktur für profitables Wirtschaften sowie die Verluste und Kosten des kapitalistischen Wirtschaftens vom Einkommens- und Lohnempfängern bezahlen lassen (Sozialisierung der Rahmenbedingungen und Verluste), während die Profite allein der Förderung des Wohlstands privater Eigentümer und Vermögensbesitzer dienen. Beim DMS haften das Kapital, die Finanzdienstleister und Großunternehmer wieder für die eingegangenen Risiken (Reprivatisierung der Verluste) und die Gemeinschaft insgesamt profitiert auf der Grundlage der Gemeinwohlverpflichtung des Eigentums von der wirtschaftlichen Tätigkeit aller Marktteilnehmer durch Steigerung des gesellschaftlichen Wohlstand, indem angemessene Teile der Gewinne der Gemeinschaft, in der diese Gewinne erwirtschaftet werden und die zu ihrer Ermöglichung beigetragen hat, zu Gute kommen (Sozialisierung von Gewinnen und Profiten aus Unternehmertätigkeit und Vermögen in Form von Steuern und Einkommens- und Lohnzuwächsen).
Für die Politik und die gesellschaftliche Diskussion der zukünftigen Entwicklungslinien ergeben sich aus dem bisher gesagten vier Basis-Forderungen:
1. Regulierung und Reformierung des Bankensystems und des Finanzmarkts[55] sowie Rückführung des Finanzsystems zu ihrer genuinen Aufgabe: Unterstützung der Realwirtschaft mit Krediten[56].
*Entmachtung und Verkleinerung von Großbanken, deren potenzieller Zusammenbruch die Stabilität der Gesellschaft und der Wirtschaft gefährden würde (to big to fail). Bei Großbanken existiert gegenwärtig wegen ihrer systemischen Funktion für das Bankwesen insgesamt, wie auch für den Kreditfluss und damit auch für die Gesamtwirtschaft de facto eine Staatshaftung, also ein System institutioneller Haftungsfreiheit und Verlustsozialisierung bei gleichzeitiger Gewinnprivatisierung. Die Stabilität des Bankensektors ist ein öffentliches Gut, deswegen ist zu überlegen, inwieweit solche systemrelevanten Großbanken als Privatbanken ohne staatliche Beteiligung eine Existenzberechtigung haben, oder ob sie gänzlich in Staatseigentum überführt oder zumindest in Form einer Sperrminorität (zum Beispiel 25+1%-Beteiligung) vom Staat kontrolliert werden müssen.
*Entmachtung der Finanzoligarchie, aber Erhaltung privater Banken ohne systemischen Charakter.
*Innerhalb des Banken- und Finanzdienstleistungssektors sind radikale Regulierungsmaßnahmen einzuleiten:
- Deutliche Erhöhung der Eigenkapitalquote der Banken, weit über das geplante Basel III-Abkommen hinaus: Die Gefahr eines Zusammenbruchs wäre geringer, dazuhin verringert sie den Anreiz, zu große Risiken einzugehen, weil die Bank mit einer größeren Summe haftet – wer viel einsetzen muss, hat auch viel zu verlieren.
- Verbot von riskanten Geschäften, wie den Eigenhandel mit Wertpapieren.
- Verbot von Bonussystemen, die Anreize schaffen, hohe Risiken einzugehen.
- Verbot von Derivaten, die nicht der unmittelbaren Absicherung von Realmarktgeschäften dienen. Begrenzung und behördliche Zulassung aller anderen Derivate.
- Verbot von Spekulationen auf fallende Kurse, Leerverkäufe usw.
- Strenge Regulierung aller börslichen und außerbörslichen Geschäftstätigkeiten (OTC).
- Volle Haftung für alle Finanzgeschäfte bei Verlusten.
- Vorsorge in guten Zeiten dafür, dass im Falle einer Pleite eine geordnete Abwicklung möglich ist.
- Wie für Banken, so müssen auch strenge Regeln bei der Gründung und den Aktivitäten von Hedge-Fonds, Private-Equity-Unternehmen und Investment-Gesellschaften gelten.
*Erhalt der Sparkassen- und Genossenschaftsbanken.
*Überprüfung der Geschäftsmodelle der Landesbanken im Hinblick auf ihre ursprünglichen Aufgaben: die Entwicklung ihrer Region fördern, Infrastrukturprogramme finanzieren, als Girozentrale für die angeschlossenen Sparkassen dienen. Überprüfung der Staatshaftung zur Vergabe billiger Kredite, die wegen Auflagen durch die EU-Kommission (2001) nicht mehr möglich war.
2. Wiederherstellung eines fairen Wettbewerbmarkts auf den einzelnen Teilmärkten der Realwirtschaft sowohl auf nationaler und europäischer Ebene.
*Herstellung einer Wettbewerbssituation, in der Waren nach ihrem eigenen Wert gehandelt werden und die Marktteilnehmer unter gleichen Bedingungen und Chancen und produktionsadäquaten Renditeerwartungen (unabhängig von den überzogenen Renditeerwartungen mancher Finanzinvestitionen von bis zu 20-30%) ihre Waren entsprechend von Angebot und Nachfrage tauschen können.
*Stärkung der Realwirtschaft gegenüber der Finanzwirtschaft.
*Auflösung der privaten Monopole und Oligopole.
*Verschärfung des Kartellrechts.
3. Gemischtes Wirtschaftssystem
»Die Kombination von Markt und Staat, von Konkurrenz und Kooperation, von individueller Entfaltung und sozialer Verantwortung«[57], die die Prosperitätsphase der Nachkriegszeit geprägt hatte, kann ein Anknüpfungspunkt sein, bei dem Versuch, die gesellschaftlichen Interessensgegensätze zu integrieren.
*Private und staatliche Unternehmen und Dienstleistungsanbieter bestimmen gleichrangig das Wirtschaftsgeschehen.
*Leistungen der Grundversorgung für die Bevölkerung müssen in staatlicher oder kommunaler Hand verbleiben, dort, wo sie privatisiert wurden, müssen sie wieder in staatliche oder kommunale Hand zurückgeführt werden.
Dazu gehören in erster Linie: Wasserversorgung, Mobilität, wie Straßenbau, öffentlicher Verkehr (Bahn/Schienennetze), Gesundheit, Bildung, Energieversorgung, Umweltschutz und Maßnahmen gegen den Klimawandel, Infrastrukturinvestitionen[58] sowie Rekommunalisierung von Angeboten kommunaler Dienstleistungen wie zum Beispiel Müllabfuhr und ähnliches.
*Verhinderung von Marktmacht und Kontrolle entsprechender Großunternehmen durch Teilung in kleinere wettbewerbsfähige, unabhängige Unternehmensbereiche oder Verstaatlichung beziehungsweise Übernahme von Sperrminoritäten bei Großunternehmen, die gemeinwohlrelevante Bedeutung haben.
Um gemeinwohlrelevante von privater Geschäftstätigkeit zu unterscheiden, bieten sich folgende Kriterien an[59]:
- die monopolistische oder zumindest marktdominante Stellung eines Unternehmens.
- Die Bedeutung des Unternehmens für Beschäftigung und Investitionen in einer wichtigen Branche der Volkswirtschaft.
- die Erbringung einer öffentlichen Dienstleistung.
*Dazuhin muss der Staat viel stärker als bisher die Verantwortung für bezahlbaren Mietraum übernehmen und ein entsprechendes Wohnungsangebot fördern und der Gentrifizierung von Stadtvierteln entgegen wirken.
4. Rückführung der Finanzaktiva, die keine realwirtschaftliche Deckung haben
zugunsten einer gerechteren Einkommensverteilung und zur Verbesserung der Einnahmesituation und Leistungsfähigkeit des Staates: Tilgung der Schulden und Verbesserung staatlicher Aufgaben wie zum Beispiel Bildung, Gesundheit, Infrastruktur und Sozialleistungen.
Es liegt, so Stephan Schulmeister, »im eigenen Interesse der Besitzer der (großen) Finanzvermögen, in der jetzigen Situation spürbare Konsolidierungsbeiträge zu leisten, um dem Staat eine nachhaltige Ankurbelung der Realwirtschaft zu ermöglichen.«[60] Die Besitzer großer Finanzvermögen sind, wie oben gezeigt wurde, diejenigen, »die den größten Teil der Staatsanleihen halten … Die Deckung der Staatsanleihen besteht im künftigen Wirtschaftswachstum und den daraus erfließenden Staatseinnahmen sowie den dadurch vermiedenen Sozialausgaben.«[61]
Zur Rückführung der Finanzaktiva bieten sich an:
- Sondersteuer für Einkommen über der Millionengrenze.
- Erhöhung des Steuerhöchstsatzes für Spitzeneinkommen.
- Reformierung der Erbschafts-, Kapitalertrags- und Unternehmenssteuern.
- Einführung einer Finanz-Transaktionssteuer (FTS). Besteuerung sämtlicher Finanztitel mit einem Steuersatz zwischen 0,1 und 0,01%. Eine solche Steuer würde computergesteuerte Tradings spezifisch verteuern und hätte eine dämpfende Wirkung, während sie langfristig orientierte Veranlagungen wie etwa Aktienkäufe oder Absicherungsgeschäfte nicht spürbar belasten würde.[62]
LITERATURHINWEISE
Demokratischer Marktsozialismus
[1] Jürgen Habermas: Rettet die Würde der Demokratie. In: Faz.Net vom 14.11. 2011
[2] Vgl. dazu Slavoj Zizek in einem Interview in der Frankfurter Rundschau vom 23.12. 2011, S. 30/31
[3] Jürgen Habermas, Rettet die Würde der Demokratie. In: Faz.Net vom 14.11. 2011.
[4] Brigitte Fehrle, Im Griff der Spekulanten. Leitartikel in der Frankfurter Rundschau vom 20.10.2011.
[5] Colin Crouch, Post-Democracy, Oxford 2004. deutsch: Postdemokratie, Frankfurt 2008.
[6] Colin Crouch, Postdemokratie, Frankfurt 2008, S. 10.
[7] Dirk Pilz und Friederike Schröter, Wir sind zunächst am Ende. In: Frankfurter Rundschau vom 5.11.2011.
[8] Colin Crouch, Postdemokratie, Frankfurt 2008, S. 29f.
[9] Slavoj Zizek in einem Interview in der Frankfurter Rundschau vom 23.12. 2011, S. 31.
[10] Jürgen Habermas, Rettet die Würde der Demokratie. In: Faz.Net vom 14.11. 2011.
[11] Thorsten Schröder, Kein Risiko, ein Spaß. In: Frankfurter Rundschau vom 5. 11. 2011. Ich habe die Geschichte von Jon Corzine diesem Artikel entnommen.
[12] Spiegel Online am 31. 10. 2011.
[13] Zitiert nach Thorsten Schröder, a.a.O.
[14] Spiegel Online am 04. 11. 2011
[15] Hans-Ulrich Jörges, in: stern 43/2011
[16] Hans-Ulrich Jörges, in: stern 43/2011
[17] Wilhelm Hankel, in: Frankfurter Rundschau vom 25./26. 10. 2008
[18] Sahra Wagenknecht, Freiheit statt Kapitalismus, Frankfurt 2011, S. 80.
[19] Ahlener Programm der CDU, vom 3. 2.1947
[20] Vgl. hierzu: Walter Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, Tübingen 2004. Alfred Müller-Armack, Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft, München 1990. Sahra Wagenknecht, Freiheit statt Kapitalismus, Frankfurt 2011, S. 15-29, wo die Gedanken und Ansätze von Eucken und Müller-Armack zusammengefasst wurden.
[21] Sie trat dann nicht in Kraft, weil der amerikanische Militärrat die Umsetzung bis zum Inkrafttreten des GG untersagt hatte.
[22] Vgl. zu der neoliberalen Gegenoffensive gegen den Keynesianismus Stephan Schulmeister, Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa. Wien 2010, S. 46ff.
[23] Stephan Schulmeister, a.a.O., S 48f.
[24] Naomi Klein, Die Schockstrategie. Der Aufstieg des Katastrophenkapitalismus, Frankfurt 2009.
[25] Joseph Stiglitz, Die Schatten der Globalisierung, Berlin 2002.
[26] Naomi Klein, Die Schockstrategie. Der Aufstieg des Katastrophenkapitalismus, Frankfurt 2009, S. 626.
[27] Max Otte, Buchautor (»Der Crash kommt« 2006 und »Stoppt das Eurodesaster« 2011) und BWL Professor in einem Interview mit UNICUM vom November 2011, S. 34.
[28] Max Otte, Der Crash kommt, Berlin 2008, S. 108 (Erstauflage 2006).
[29] Ebda, S. 89.
[30] Wissenschaftliches Institut der Allgemeinen Ortskrankenkasse, 2011.
[31] 1,5 Billionen Dollar wurden, so die Schätzungen, durch die Krise insgesamt ›verbrannt‹.
[32] Sarah Wagenknecht, Freiheit statt Kapitalismus, Frankfurt 2011, S. 187. Wenn nicht anders vermerkt, sind die folgenden Zahlen dem sehr gut recherchierten Buch entnommen. Die Seitenzahlen sind jeweils in Klammer angegeben.
[33] Einkommen aus Löhnen und Gehältern sowie Staatseinnahmen (Steuern und Gebühren) für Staatsgehälter, Renten und soziale Leistungen werden hier als konsumtiv bezeichnet, da sie zum überwiegenden Teil ausgegeben werden und in den Konsum fließen
[34] Frankfurter Rundschau vom 16. 11. 2011.
[35] Im Vergleich dazu befinden sich in den USA, dem am weitestgehend dem neoliberalen Konzept unterworfenen und kapitalisierten Land, die realen durchschnittlichen Löhne auf dem Stand der 50er Jahre (S. 140).
[36] Sahra Wagenknecht, Freiheit oder Kapitalismus, Frankfurt 2011, S. 231.
[37] Frankfurter Rundschau vom 16. 11. 2011..
[38] Zeit Magazin Nr. 13 vom 19.3. 2009, S. 31
[39] Vgl. dazu und zu Folgendem auch: Henning Schramm, Recht auf Ineffizienz, Münster 2005.
[40] Oskar Negt, Der Bürger ist derjenige, der Mut zum Eigensinn bewahrt. In Frankfurter Rundschau vom 17. 9. 2002.
[41] Oskar Negt, Arbeit und menschliche Würde. Göttingen 2002, S. 36.
[42] Hannah Arendt, Vita activa oder Vom tätigen Leben. München 1960, S. 314.
[43] Alice Schwarzer, Marion Dönhoff. Köln 1996, S. 243.
[44] Oskar Negt, ebenda S. 123.
[45] Zitiert nach: Frankfurter Rundschau vom 14. November 2002.
[46] Oskar Negt, »Der Bürger ist derjenige, der Mut zum Eigensinn bewahrt«. In: Frankfurter Rundschau vom 17. 9. 2002.
[47] Roger Willemsen, Deutschlandreise. Frankfurt/Main 2002, S 41.
[48] Vgl. Wolfgang Sachs, Unwirtschaftliches Wachstum. In: Frankfurter Rundschau vom 1. Juli 2005, S. 29. Zu diesem Wohlstand zählt Sachs u. a. Sicherheit der Städte, Erhaltung der Natur, Stärkung des sozialen Zusammenhalts, Gerechtigkeit der Institutionen.
[49] Vgl. Dazu auch Svenja Flaßpöhler, Wir Genussarbeiter, München 2011.
[50] So eine Forderung von Jutta Sundermann, der Attac-Mitbegründerin, in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau vom 13.11.2011.
[51] Stephan Schulmeister, Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa. Wien 2010, S. 24. Zum langfristigen Aufbau des Potenzials für die jetzige große Krise, siehe Schulmeister, ebda. die Seiten 24 – 33.
[52] Rudolf Hickel, Politisch gestalteter Kapitalismus, in: epaper der Frankfurter Rundschau vom 17.10.2011, S. 2.
[53] Peter Ulrich, in: Handelsblatt Nr. 47/2009, S. 9.
[54] Vgl. hierzu Stephan Schulmeister, Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa. Wien 2010, S. 76.
[55] Vgl. hierzu u.a. Professor Reinhard H. Schmidt, in: Frankfurt Rundschau vom 22.10.2011, Stephan Schulmeister, Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa, Wien 2010 sowie Sarah Wagenknecht, Freiheit statt Kapitalismus, Frankfurt 2011.
[56] Beispiel Deutsche Bank: ganze vier Prozent flossen nach Wagenknecht bei dieser Bank in das Kerngeschäft, »der Rest ist Wetten, Zocken, Spekulieren«.
[57] Stephan Schulmeister, Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa. Wien 2010, S. 42.
[58] Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass sich der Staat auch dem Gemeinwohl verpflichtet fühlt und nicht, wie jetzt geschehen, die Ungleichheit fördert und das Marktgleichgewicht zugunsten von Großunternehmen zerstört: Im Sommer 2011 hat die Bundesregierung in aller Stille ein Gesetz verabschiedet, das die Großunternehmen bei Stromnetzgebühren zu Lasten der Verbraucher und kleineren Betriebe um 240 Millionen Euro im Jahre 2012 entlasten wird, die dieses Geld, so ist zu vermuten, zum großen Teil als zusätzlichen Gewinn ihren ohnehin reichen Aktionären ausschütten werden.
[59] Vgl. hierzu Sahra Wagenknecht, Freiheit statt Kapitalismus, Frankfurt 2011, S. 324.
[60] Stephan Schulmeister, Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa. Wien 2010, S. 22.
[61] Stephan Schulmeister, ebda. S. 22.
[62] Vgl. das Beispiel bei Stephan Schulmeister, a.a.O., S 89: »Wer Aktien im Wert von 10.000 Euro kauft, müsste dafür – bei einem Steuersatz von 0,05 Prozent – gerade einmal 2,50 Euro an FTS berappen ... Wenn ein Hedge Fund mit Hilfe eines computergesteuerten Trading Systems Derivate mit einem Basiswert von 10 Millionen Euro im Laufe eines Tages hundertmal kauft bzw. verkauft, so würde er dafür 250.000 Euro an FTS zu bezahlen haben.«
Buchtitel
Arendt, Hannah: Vita activa oder Vom tätigen Leben. München 1960.
Crouch, Colin: Post-Democracy, Oxford 2004. Deutsch: Postdemokratie, Frankfurt 2008.
Eucken, Walter: Grundsätze der Wirtschaftspolitik, Tübingen 2004.
Fehrle, Brigitte: Im Griff der Spekulanten. Leitartikel in der Frankfurter Rundschau vom 20.10.2011.
Flaßpöhler, Svenja: Wir Genussarbeiter, München 2011.
Habermas, Jürgen: Rettet die Würde der Demokratie. In: Faz.Net vom 14.11. 2011.
Hickel, Rudolf: Politisch gestalteter Kapitalismus. In: epaper der Frankfurter Rundschau vom 17.10.2011.
Klein, Naomi: Die Schockstrategie. Der Aufstieg des Katastrophenkapitalismus, Frankfurt 2009.
Müller-Armack, Alfred: Wirtschaftslenkung und Markt-wirtschaft, München 1990.
Negt, Oskar: Der Bürger ist derjenige, der Mut zum Eigensinn bewahrt. In: Frankfurter Rundschau vom 17. 9. 2002.
Otte, Max: Der Crash kommt, Berlin 2008 (Erstauflage 2006).
Pilz, Dirk und Schröter, Friederike: Wir sind zunächst am Ende. In: Frankfurter Rundschau vom 5.11.2011.
Sachs, Wolfgang: Unwirtschaftliches Wachstum. In: Frankfurter Rundschau vom 1. Juli 2005.
Schröder, Thorsten: Kein Risiko, ein Spaß. In: Frankfurter Rundschau vom 5. 11. 2011.
Schulmeister, Stephan: Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa. Wien 2010.
Schwarzer, Alice: Marion Dönhoff. Köln 1996.
Stiglitz, Joseph: Die Schatten der Globalisierung, Berlin 2002.
Wagenknecht, Sahra: Freiheit statt Kapitalismus, Frankfurt 2011.
Willemsen, Roger: Deutschlandreise. Frankfurt/Main 2002.