Willkommen auf meiner Website
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Am 18. Mai 1848 trat in Frankfurt zum ersten Mal die

deutsche Nationalver-sammlung zusammen.

Es war die Geburtsstunde der deutschen Demokratie. Sie überlebte nur etwas mehr als ein Jahr bis zur Kapitulation der Freiheitskämpfer in der badischen Festung Rastatt vor den preußischen Truppen am 23. Juli 1849.

1933 hat »der Nationalsozialismus in der Demokratie mit der Demokratie die Demokratie besiegt.« So Hitler im Originalton.

Heute im Jahr 2023 ist die Demokratie in Deutschland und vielen anderen Staaten der Welt wieder bedroht und von populistischen Ideologien durchsetzt oder hat sich bereits hin zu illiberalen, autokratisch-populistischen und faschistischen Staatsformen entwickelt. Es lohnt sich also, genauer hinzusehen und deren Charakteristika herauszu- arbeiten.

Es ist Zeit die Demokratie neu mit Leben zu füllen.

 

Leserempfehlung: DEMOKRATIE LEBEN!

"...Geradezu eine Pflichtlektüre für politische Bildung in der aktuellen Situation." (Herbert Kramm-Abendroth)

 

 

Das Buch öffnet die Augen für das, was wichtig ist im Leben.
"Wenn wir Neues schaffen wollen, müssen wir uns von dem bloß passiv-betrachtenden Denken, dem Zukunft fremd ist, lösen. Wir müssen den Willen zum Verändern der Welt,in der wir leben aufbringen und den Mut haben, unser Wissen und Denken auf die noch ungewordene Zukunft ausrichten."
(aus: GUTES LEBEN, S. 330)

 

Spannender histori-scher, biografischer Roman über Olympe de Gouges: Warum nicht die Wahrheit sagen.

»Ich bin eine Frau. Ich fürchte den Tod und eure Marter. Aber ich habe kein Schuld-bekenntnis zu machen. Ist nicht die Meinungs-freiheit dem Menschen als wertvollstes Erbe geweiht?«

So verteidigte sich Olympe de Gouges vor dem Revolutionstribunal in Paris. Eine kompromisslose Humanistin, eine sinnliche, lebenslustigeund mutige 

Frau, die der Wahrheit unter Lebensgefahr zum Recht verhelfen will und als erste Frau in der Geschich-te  auch für das weibliche Geschlecht die Bürger-rechte einfordert. Die Zeit vor und während der Französischen Revolution gewinnt in dieser historisch-authentischen Gestalt Lebendigkeit und atmosphärische Dichte.

 

Piano Grande
Ein Roman über die Liebe in Zeiten der Krise.

Der Roman Piano Grande

zeichnet ein eindringliches Porträt des ersten Jahr-zehnt dieses Jahrhunderts, in dem die Finanz- und Wirtschaftskrise die Welt an den Rand des Abgrunds brachte.

Der Roman wirft auf dem Hintergrund einer großen Liebesgeschichte "einen sezierenden Blick auf die Gesellschaft und ihre Eliten..., die die Welt im Jahr 2008 in eine wirtschaftliche Kata-strophe geführt haben ..." (Wetterauer Zeitung)

 

Als vertiefende Ergänzung zu dieser Wirtschafts- und Finanzkrise empfehle ich Ihnen meinen Essay: Demokratischer Marktsozialismus. Ansätze zu einer bedürnisorientierten sozialen Ökonomie.

 

(Käthe Kollwitz)

 

Was ist das für ein demo-kratisches System, das unfähig ist, den Mord-versuch vom 6. Januar 2021 an ihrer Demokratie zu ahnden?

Unter Nice-to-now habe ich für Sie Ausschnitte aus der Rede von Trump zur Wahl und den Sturm auf das Kapitol zusammen-gestellt.

 

Besuchen Sie auch meine Autorenseite Henning Schramm  auf Facebook. Ich würde mich freuen, wenn sie Ihnen gefällt.

 

Ich möchte mich auch über das rege Interesse an meiner Homepage mit über 400.000

Besucherinnen und Besuchern bedanken.

Was bedeutet 'Gutes Leben'?

von
Henning Schramm

                                                  

Die Mindestforderung, die mit dem Begriff Gutes Leben verbunden ist, ist der Erhalt und die fürsorgliche Behandlung des Lebens selbst. Darüber hinaus verweist das dem Begriff immanente Allgemeine auf ein letztes Ziel, auf ein Bedürfnis, auf einen Wert, dem der Mensch alles zuzuordnen vermag. Etwas, das ihm als objektiver und absoluter Maßstab dienen, nach dem er alles beurteilen kann. Wilhelm von Humboldt stellt sich eben diese Frage: »Was ist dasjenige, wonach, nach einem allgemeinen Maßstabe der Wert der Dinge für den Menschen, und der Wert der Menschen gegeneinander bestimmt werden kann? … Da es auf alle Anwendung finden soll, muss es etwas Allgemeines sein … und … es muss also Etwas sein, das immer Eins und eben dasselbe, auf mannigfaltige Weise ausgeführt werden kann … [es] muss auch der Verschiedenheit der Individuen Rechnung tragen[i] 

Diesen Wert, der dem Menschen zugleich als Maßstab dient, vermag er nur in sich selbst finden. Der gleichsam axiomatische, substanzielle Wert, der den Gefühlen der Menschen Gestalt zu geben in der Lage ist, muss eng und unmittelbar mit seiner inneren Natur verbunden und zugleich ein Vermittler innerer Wünsche und inneren Seins zur Außenwelt sein. Für den Vordenker der Aufklärung John Locke (1632-1704) bestand das erste Recht eines Menschen darin, die Annehmlichkeiten des Lebens zu genießen und zu erhalten (»to subsist and enjoy the conveniences of life«). Dieses Recht, so Locke weiter, schließt nicht nur die reine Selbsterhaltung ein, sondern auch die Freude am eigenen Leben.

Was sind die objektiven Kriterien, die den Begriff Gutes Leben unabhängig von der jeweiligen besonderen Person definieren?

In der Natur unseres Seins selbst ist das angelegt, was dem guten Leben Inhalt und Wert gibt. Unsere Vorstellung von einem guten Leben ist aus evolutionärer Perspektive darauf zurückzuführen, dass ein Organismus mehr als nur einen neutralen Lebenszustand zu erreichen versucht. Diese in jeglichem lebendigen Organismus angelegte Entelechie ist auch dem Menschen eigen. Der Mensch hat keine von außen gegebenen Zielbestimmungen. Das, was er ist, ist er aus sich, aus seiner biologischen und geistigen Existenz heraus. Der Ur-Sinn menschlichen Lebens ist, die Homöodynamik (Spinoza) oder Homöostase (Damasio) des Lebens aufrechtzuerhalten – die mit einer Empfindung des Wohlergehens ‚belohnt‘ wird – und auf diesem Fundament seine Existenz zu gestalten. Der Mensch macht sich auf der Basis seiner Natur-Existenz selbst zu dem, was er sein will, indem er die inneren Ziele, die sich aus seiner Welt-Existenz, seinem Sein in der Welt, ergeben, verwirklicht. Bereits Aristoteles hat diesen Gedanken (Eudaimonie) in die Welt gebracht und die Erfüllung des Zwecks (Entelechie), der in jedem Lebewesen angelegt ist, mit den Begriffen gut (gutes Leben) und schön (schönes Leben) belegt. Aristoteles unterscheidet mit Blick auf die Zweckerfüllung drei, so würden wir heute modern sagen, evolutionäre Entwicklungsstadien: anima vegetativa (alle Lebe-wesen, Triebhaftigkeit der Natur), anima sensitiva (Tier, empfindende Natur) und anima intellectiva (Mensch, schöpferischer Geist), wobei, ganz im Sinne unserer heutigen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse[1], im jeweils höheren Entwicklungs-schritt von der Natur zum Mensch die vorhergehenden Zielbestimmungen bewahrt und weiterhin wirksam bleiben.

Die körperlich-physiologische Natur des Menschen ist die eine Quelle der Objektivierung des Begriffs, die sich aus den Regelungen des Lebens selbst ableiten. Eine zweite generiert sich aus der Besonderheit des Menschen als einer empfindenden, (selbst-)bewussten, handlungs- und urteilsfähigen Persönlichkeit. Eine dritte Bestimmung des Begriffs ergibt sich aus der Existenz des Menschen als Sozial- und Geistwesen. Der Mensch ist des Denkens, der Sprache (wir denken in Sprache, wobei die Sprache den Gesetzen des Denkens folgt) und der sprachlichen Kommunikation mit anderen mächtig. Auf der Grundlage dieser Fähigkeiten kann sich der Mensch selbst Gesetze und ethische Regeln geben, nach denen er lebt. Als Sozialwesen agiert er auf der Basis wechselseitigen Respekts in einer Gemeinschaft und legt fest, was gut oder schlecht ist, wobei auch hier wieder, der Idee von Aristoteles folgend, einige der normativen Regeln wie auch des moralischen Bewusstseins aus der evolutionären Naturgeschichte des Menschen abgeleitet sind. Zu denken ist in diesem Zusammenhang zum Beispiel an die Tötungshemmung unter artgleichen Tieren oder an die Liebe der Menschen untereinander, die sich aus dem sexuellen Paarverhalten, oder auch an die Liebe zu Kindern, die sich aus dem Brutpflegeverhalten der tierischen Vorfahren herleiten.

Der Begriff Gutes Leben speist sich zusammenfassend also aus drei emergenten Seinsebenen der menschlichen Existenz, die sich ergänzen und wechselseitig beeinflussen. Das sind:

  • Körper / Natur / physiologische Grundbedürfnisse (triebhafter Wesensteil)
  • Person / Handlung / Bewusstsein (ästhetischer, vernunftbezogener Wesensteil)
  • Geist / Sprache / Gemeinschaft (moralisch-ethischer Wesensteil)

Eine inhaltliche Bestimmung des Begriffs Gutes Leben muss die Bedürfnisse, Erwartungen und inneren Ziele des Menschen wie auch deren emotionalen Entsprechungen auf allen drei Ebenen berücksichtigen. 

1. Seinsebene: Körper, Natur, physiologische Grundbedürfnisse

Grundlegende Quelle für die Empfindung gut zu leben, ist die Erhaltung und Pflege der Körperfunktionen des Menschen, die dem intrinsischen Ziel der Art-Erhaltung dienen und entsprechend durch ein Gefühl des Wohlbefindens ‚belohnt‘ wird. Hierzu gehören basale Bedürfnisse wie

  • Versorgung mit ausreichender und gesunder Nahrung und Wasser (keine körperliche Not und Pein erleiden),
  • Schutz vor schädlichen Umwelteinflüssen (Kälte, Hitze, Regen usw.),
  • Abwehr von Krankheiten und Gewährleistung körperlicher Unversehrtheit (bewacht sein, beschützt und geschützt sein, gesund sein),
  • sexuelle Bedürfnisse (sexuelle Anerkennung bekommen, seine sexuelle Orientierung leben können, sexuelle Befriedigung)

Alle genannten Zielbestimmungen und Bedürfnisse sind eng mit körperlichen Funktionsbereichen verbunden und grundlegend für das Empfinden von gutem und würdigem Leben. Sie sind ein essenzieller Teil der Grundrechte eines jeden Menschen, ohne die gutes Leben nicht möglich ist. Ein Staat und eine Gesellschaft, die sich der Menschenwürde und einem humanistischen Menschenbild verpflichtet fühlt, kommen nicht daran vorbei, Bedingungen zu schaffen, die dem Menschen zumindest die Befriedigung dieser Grundbedürfnisse ermöglichen: Recht auf ausreichende Nahrung, Versorgung mit gesundem Wasser und Luft, Gesundheits-versorgung und -vorsorge sowie menschenwürdiges Wohnen.

Das eben genannte ist lediglich eine notwendige Grundbedingung, um gutes Leben zu ermöglichen, aber noch keine hinreichende. Um ein Leben als gut empfinden zu können, um Leben genießen zu können, um innere Ruhe, Ausgeglichenheit und Harmonie spüren zu können, braucht der Mensch über die Befriedigung der lebenserhaltenden Grundbedürfnisse hinaus, einen Freiraum, in dem er seinem Willen und Handeln selbstbestimmt Ausdruck verleihen und seinen inneren Wesens-kern zur Entfaltung bringen kann.

Wenn man einen nüchternen Blick auf unsere Erde wirft, wird jeder schnell erkennen, dass viele Menschen auf der Ebene des Existenzminimums leben müssen. Leben bedeutet für diese Menschen nicht mehr und nicht weniger als ihr Leben erhalten, ihr Überleben sichern zu können. Sie existieren – den Naturgesetzen folgend – unter dem Zwang, ihre körperlichen Funktionen erhalten zu müssen. Sie tragen in sich die Idee des Menschseins, ohne sie verwirklichen zu können. In der Terminologie Hegels leben sie ein Leben an sich, aber nicht für sich.

Ich will versuchen, dieses Denken Hegels an einem Beispiel deutlich zu machen: Nehmen wir ein neugeborenes Kind. Das Baby ist Geist an sich (die Idee von Geist), das heißt, es hat prinzipiell die Möglichkeit Geist zu werden. Dass es diese Möglichkeit hat, weiß es selbst nicht, aber wir, die Beobachter des Babys, wissen es für uns. Im Lauf seines Lebens – wenn es seine Möglichkeiten nutzt – wird es, sobald es sich selbst als geistiges Wesen erkennt, auch für sich Geist sein, ein fürsichseiender Geist. Diese Erkenntnis ist das Anundfürsichsein des Babys: die Idee in ihrer Wahrheit.
Oder nehmen wir ein anderes Beispiel: In der DNA mit ihren vier Basenpaaren und ihrer Anordnung auf der Doppelhelix in Form von Triplets, die eine Art Schrift des Lebens codieren, ist die Idee des Lebens enthalten (das Ansichsein). Die DNA bildet also die materielle Basis der Idee des Lebens – Leben an sich. Aus dieser Materie bildet sich nach den Gesetzen der Natur Leben (u.a. der Mensch): Leben anundfürsich, das uns in Gestalt des existenten Lebens (des Menschen) als Wahrheit der Idee gegenübertritt.

Der Mensch ist mehr als lebendige Materie (Leben im Allgemeinen). Er besitzt (Selbst-) Bewusstsein, Verstand und einen aus dem gesellschaftlichen Zusammenleben sich entwickelnden Geist, der sich selbst als Geist zu erkennen vermag. Der Mensch als Geistwesen weist über seine bloße Existenz auf den Menschen im Besonderen hinaus und öffnet den Blick auf das Wesen des Menschen, dem Anundfürsich seines Daseins als einem sich selbst erkennenden Geist, einem sich selbst sinngebenden, geistigen Wesen, ausgestattet mit Vernunft, Denk- und Urteilsvermögen und Persönlichkeit.

2.   Seinsebene: Person, Bewusstsein, Handlung

Die zweite Quelle, aus der sich Gutes Leben nährt, ist auf der Ebene der Person mit einem Bewusstsein seiner Selbst und der damit verbundenen Selbstverantwortung des Handelns angesiedelt. Der selbstbewusste Mensch, der sich im Spiegel eines anderen Bewusstseins entwickelt und sich zu diesem abgrenzt, ist Urheber seines Sinns und Lebenszwecks. Er ist Gestalter seiner selbst, eines Selbst, das sich selbst Zweck ist.

Was aber ist sinnvolles Leben?
Die Frage nach Sinn oder Unsinn des Lebens kann nur subjektiv beantwortet werden – aus der Perspektive desjenigen, der seiner eigenen Existenz Bedeutung zuschreibt. Einen von außen gegebenem Sinn an sich zu erhoffen, also anzunehmen, dass es einen möglichen Sinn des Lebens gibt, den wir nur nicht erkennen können, gibt aus der Natur unseres Seins heraus keinen Sinn. Sinn ist substanziell mit unserem Selbstsein, unserem Selbstbewusstsein und unserem Geist verknüpft.

»Aus der Tatsache«, so argumentiert Schmidt-Salomon, »dass es für unser Leben keinen Sinn an sich gibt, lässt sich […] nicht ableiten, dass es keinen Sinn für uns habe, dass es bedeutungslos wäre und es sich nicht lohnen würde, irgendetwas zu tun … Denn für uns hat das Leben stets Bedeutung – und zwar aus einem einfachen biologischen Grund: Weil wir die Differenz zwischen Wohl und Wehe kennen. Ohne sinnliche Empfindungen gäbe es keinen Sinn, unser Dasein wäre bedeutungslos.«[ii]
Auch die Absurdität des Todes (Camus) erlaubt es uns nicht, die Sinnfrage zu delegieren und uns außerirdischen Sinngebern anzuvertrauen. »Das Absurde [des Todes] resultiert nicht daraus, dass es keinen über den Tod hinausgehenden Sinn gibt, sondern vielmehr aus der irrigen Denkannahme, dass es einen solchen über den (kollektiven) Tod hinausweisenden Sinn des Lebens geben könnte oder gar müsste. Denn der Sinn des Lebens ist an das Leben selbst gebunden, weshalb das Ende der Sinnlichkeit notwendigerweise auch mit dem Ende des Sinns einhergeht[iii]
Hegel hat diesen Zusammenhang kurz und knapp so ausgedrückt: Der Mensch ist unsterblich, solange er lebt.

Alles, was sich im Sein des Menschen abspielt, ist an das Leben gebunden. Der Mensch ist dazu verdammt, sein Leben in Freiheit zu gestalten (Sartre), sich seine Ziele selbst zu setzen und den Sinn seines Lebens selbst zu bestimmen, Sinn für sich zu suchen und zu realisieren. Gelingt ihm das und erreicht er das oder die aus freiem Willen selbst gesteckte(n) Ziel(e), trägt das zur eigenen Befriedigung bei und löst positive Emotionen aus. Die Erreichung der vom Selbst gesteuerten Ziele sind ein positiver Beitrag zum guten Leben. Diese so erzeugten Empfindungen, etwas aus freien Stücken körperlich oder geistig geleistet zu haben, drücken sich aus in der Erfahrung eines gelingenden Lebens, eines ausgefüllten Lebens, das in Emotionen wie Wohlbehagen, Seelenfrieden oder Zufriedenheit mit sich selbst, einer Erfahrung der in sich selbst ruhenden Einheit, münden kann. Manchmal auch in einem Glückserleben. Glücksgefühle sind eine Begleiterscheinung sinnvoller Lebensgestaltung, wobei wir ohne Glück leben können, aber nicht ohne Sinn. Leider ist dieses Glücksempfinden normalerweise von nur kurzer Erlebensdauer. Allerdings macht Glück an Höhe wett, was ihm an Länge fehlt.

Sinnlos erscheint ein Leben immer dann, wenn der Mensch kein Bewusstsein von sich selbst hat oder nicht mehr Herr seiner Selbst ist (z. B. bei fortgeschrittener Alzheimerkrankheit). Aber sinnlos kann es auch werden, wenn es einem Individuum nicht gelingt, seinem Leben Sinn Bedeutung und Inhalt zu geben. Es ist dann dazu verurteilt, ziellos und ruhelos durch das Leben zu ziehen. Die Erkenntnis, ein sinnloses Leben zu führen, wird wohl von den allermeisten Menschen als Tragödie empfunden und kann zu schweren psychischen Krankheiten führen. Man kann versuchen, die Tatsache zu überspielen und für sich Ersatz-Sinnwelten zu etablieren, aber in den meisten Fällen wird ein solches Leben begleitet von Gefühlen der Leere, der Verlorenheit, von permanenter innerer Unruhe, bis hin zu depressiven Gefühlslagen oder schweren Depressionen.

Leben ohne Sinn lässt Leidenschaft und Hoffnung gleichermaßen verkümmern, aber wir brauchen Beides. »Ohne Hoffnung zu handeln oder zu leben übersteigt unsere Kraft. Aber wir brauchen nicht mehr; und man darf nicht mehr versprechen. Wir brauchen keine Gewissheit. Insbesondere die Religion sollte kein Ersatz für Träume und Wunscherfüllung sein ... Wenn wir glauben, dass Geschichte fortschreitet oder dass wir selbst fortschreiten müssen, dann begehen wir denselben Fehler wie ein Mensch, der die Geschichte für sinnvoll hält und der glaubt, dass sich dieser Sinn in ihr entdecken lässt und ihr nicht verliehen zu werden braucht«, sagt Karl Popper[iv].

Leidenschaft schärft den Blick, erschließt der »Menschen Seele und die eigene, zeigt das innere der Welt und alles Letzte, was hinter den Werten und den Toten ist«, lässt Thomas Mann Tonio Kröger sagen. Und in ähnliche Richtung denkt der Philosoph Bertrand Russel, wenn er sagt: »Drei einfache, doch übermächtige Leidenschaften haben mein Leben bestimmt: das Verlangen nach Liebe, der Drang nach Erkenntnis und ein unerträgliches Mitgefühl für die Leiden der Menschheit.«[v]

Aristoteles sah als höchstes Ziel des Menschen das Glück: »Alle Menschen streben von Natur aus nach Glück«. Im aristotelischen Endaimonismus setzt Glück ethische Vollkommenheit und ein Vollmaß des Lebens voraus. Das Ziel kann nur verwirklicht werden, indem der Mensch sich bei allem, was er tut, um moralische Vervoll-kommnung bemüht und dabei hofft, auf günstige äußere Bedingungen zu treffen, die ihm ein gutes Leben ermöglichen.

Das Erreichen des Ziels hängt also zum einen eng mit dem Begriff Hoffnung zusammen, das heißt dem Glauben an die Möglichkeit, ein gutes Leben realisieren zu können, dem Glauben an die Zukunft und an sich selbst. Zum anderen wird das Ziel getragen von der Leidenschaft für das eigene Leben und selbstgesetzte Lebensziele. Als sinnvoll empfindet man ein Tun immer dann, wenn wichtige innengeleitete Ziele oder Werte erreicht oder erfüllt werden, die ein Gefühl von Zufriedenheit oder von Glück, in welcher Form auch immer, auslösen. Dies ist im Kern das, was unter Selbstverwirklichung zu verstehen ist und bedeutet im Umkehrschluss: Je mehr Selbstverwirklichungsanteile ein Leben hat, desto sinnvoller erscheint es uns.

Die Möglichkeiten der Selbstverwirklichung umfassen materielle Seinsebenen, wie zum Beispiel Erfolg, ausreichend Ressourcen zu Verfügung zu haben, die ein Leben über die Grundbedürfnisse hinaus ermöglichen, Sicherheit oder Angstfreiheit, und geistig-ästhetische Seinsebenen, wie zum Beispiel Wissen, Bildung, Fähigkeit und Möglichkeit, seine Neugier zu befriedigen, geistige Anregungen bekommen, Erhabenheit und Schönheit erfahren zu können.

Tatsachen als solche sind per se sinnlos, Sinn bekommen sie nur durch unsere Urteile, Entscheidungen und Bewertungen. Der Mensch als ein auf sich selbst blicken könnendes und empathisches Geisteswesen ist aufgefordert, Sinn zu kreieren und dabei von seiner Geistbegabung Gebrauch zu machen, die Welt zu erkunden und geistig zu durchdringen. Sinn im Leben zu finden, heißt nachdenken über das Wesen des Menschen und des eigenen Menschseins. Gut und schön ist ein Handeln, wenn es dem Zweck entspricht, der dem Menschen in seinem Wesen angelegt ist, im Sinne von: Werde, der du bist. Mein Wesen zu erkennen, gibt mir meine Identität und damit meinen Sinn. Im Wesen liegt ein Fundus der Möglichkeiten. Wenn sie sich konkretisieren, entwickelt sich die Wirklichkeit des individuellen Seins. Das, was der Mensch ist, ist er durch den Gebrauch seines Geistes. Er befähigt zur Verantwortung für das Tun, zur Bildung, zu sittlichem Handeln, er bringt Kultur hervor und verleiht dem Menschen Würde, die in der Selbstzweckhaftigkeit des Menschseins begründet ist.
Neugierverhalten ist genetisch bedingt, aber auch Neugier kann verkümmern, wenn sie nicht gepflegt und gefördert wird. Alle Menschen streben nach Wissen, sagt Aristoteles und stellt diesen Satz an den Anfang seiner ‚Ersten Philosophie‘. Das Denken denken lehren ist, etwas philosophischer ausgedrückt, der Kern seines Philosophierens. Kant denkt in dieser Hinsicht ähnlich, wenn er sagt: Ich lehre keine Philosophie, sondern das philosophische Denken. Die Aufforderung der beiden großen Philosophen an alle Menschen, zu philosophieren (also ein Leben in Liebe zur Weisheit zu führen: (philo-) = Liebe; (-sophie) = Weisheit), enthält zwei Komponenten: Erstens, die Wahrheit ins Licht zu stellen, sich kritisch mit den Mächten auseinanderzusetzen, die Menschen ein gutes Leben verwehren und vernünftige Wege von der Unmündigkeit zur Mündigkeit und Freiheit versperren. Zweitens sagt der Appell, dass ohne Gedankenarbeit, ohne den Gebrauch des Geistes Sinnerfüllung im Leben nicht möglich sei. Platon drückt diesen Gedanken etwas poetischer aus: Das Wesen des Guten ist in die Hand des Schönen geschlüpft. Schönheit als Gedanke des Vollkommenen und Wahren (ästhetische Vernunft), ohne dass das Gute nicht gut sein kann.

Gutes oder erfülltes Leben, das eng mit der Vorstellung eines tätigen, sozial erfüllten, aktiven Lebens, gepaart mit Verantwortung und Stolz auf die eigene erbrachte Leistung verknüpft ist, bedeutet auf dieser personalen Seinsebene, ein Leben aus sich selbst heraus führen zu können. Verbunden damit ist die Aufforderung, herauszufinden, was dem eigenen Leben unter den gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen Sinn gibt und diesen Sinn für sich selbst zu verwirklichen. Tatenlosigkeit, Isolation und Einsamkeit[2], lethargische Gleichgültigkeit stehen dagegen der Vorstellung eines erfüllten Lebens konträr entgegen.

3.   Seinsebene: Geist, Sprache, Gemeinschaft

Um allein zu leben, muss man ein Tier oder ein Gott sein, ist der Philosoph Friedrich Nietzsche überzeugt. Mit dem Wissen, dass der isolierte Mensch verkümmert, dass Isolation den Menschen krank macht und bis zum Tod führen kann, verlassen wir nun diese Seinsebene und wenden uns der dritten Quelle von gutem Leben zu.

Aus der Natur unseres Seins heraus ist gutes Leben ohne Sozialität, ohne wechselseitigen geistig-sprachlichen Austausch nicht denkbar – auch ein Emerit, sozial vollkommen isoliert, hält zumindest sprachlich-geistigen Kontakt mit den Personen seiner geistigen Welt. Der Mensch ist nicht für sich allein in der Welt. Zwischen dem Bewusstsein eines Subjekts und den anderen Subjekten, denen wir im Gespräch begegnen, besteht eine Wechselwirkung, aus der sich in der Menschheitsgeschichte das bereits früher angesprochene Welt-Bewusstsein und das ethische und moralische Bewusstsein entwickelt haben.
Zunächst ist jedoch zu fragen, auf welchen körperlich-physiologischen Fähigkeiten die Kommunikation zwischen den Individuen beruht, wie sie gelingen kann und wie daraus Gemeinschaft und Kultur möglich wird. Auch Tiere und sogar Pflanzen können miteinander kommunizieren. Was ist also das Besondere an der menschlichen Kommunikation?

Drei entscheidende Faktoren sind hier zu nennen: Erstens, das Bewusstsein (Selbst- oder Ich-Bewusstsein, biographisches und historisches Bewusstsein). Zweitens, die hochentwickelte Empathiefähigkeit des Menschen und drittens schließlich die Sprache.

Mit dem Bewusstsein geht einher die Fähigkeit des ‚Innehalten-Könnens‘. Der Mensch reagiert nicht auf jeden sensorischen Reiz instinktiv (wie das Tier), sondern kann ihn aufnehmen, ihn im Gehirn verarbeiten, darüber nachdenken, Urteile fällen und entscheiden. Im letzten Schritt richtet das Individuum sein Handeln danach, was es selbst für richtig hält und entschieden hat.

Dies hat unter anderem zwei wichtige Konsequenzen für das Bewusstsein:
Der Mensch kann einerseits die auf ihn eindringenden Erfahrungen ordnen, im Spiegel seiner bisherigen Erfahrungen bewerten und in sein Wissen integrieren, oder aber auch die gemachte sensorische Erfahrung als irrelevant verwerfen. Auf diese Weise sammelt sich das für das Selbst relevante Welt-Wissen an, das dem individuellen biografischen Bewusstsein zur Verfügung steht. Er teilt dieses individuelle Wissen mit anderen, die ebenfalls ein individuelles Welt-Wissen haben. Das Wissensreservoir der kommunizierenden Individuen hat mehr oder weniger große Schnittstellen, ist aber niemals identisch, da jeder Mensch eine ganz eigene biografische und mikrokulturelle Entwicklung erlebt hat, die sein biografisches Bewusstsein geformt hat und mit jeder Interaktion, durch jeden neuen sensorischen Impuls und neuen Gedanken eine Änderung erfährt.

Andererseits wird der Mensch durch die Fähigkeit des Innehalten-Könnens in die Lage versetzt, Distanz zu sich selbst zu halten. Er kann sich selbst ‚von außen‘ betrachten, sein Handeln kontrollieren und mit der wahrgenommenen Intention des Handelns seines Gegenübers abstimmen. Dass er Intentionen des anderen erkennen und sich in Gefühlslagen eines anderen hineinempfinden kann, ist seiner Fähigkeit zur Empathie zu verdanken. Die Verarbeitungsschritte der Perspektivübernahme, also des Hineinversetzen-Könnens in andere, müssen erst erlernt werden, während die Prozesse der Gefühlsansteckung weitgehend angeboren sind – es müsste einer schon aus Stein gemeißelt sein, wenn er nicht beim Anblick eines lachenden Babys unwillkürlich ebenfalls ein lächelndes Gesicht zeigen würde.

Möglich wird empathisches Verhalten durch sogenannte Spiegelneuronen, ohne die die evolutionäre Entwicklung des Menschengeschlechts sicher anders verlaufen wäre, als wir sie heute beobachten können. »Die Erforschung der Spiegelneuronen für die Hirnforschung und Psychologie ist von ähnlicher Bedeutung wie die Erforschung der DNA für die Biologie oder jene der Radioaktivität für die Physik … Sie helfen uns durch eine Art ‚virtuelles‘ Training, das Verhalten anderer besser nachahmen zu können, da schon bloße Beobachtung einer Handlung entsprechende neuronale Aktivitäten in unseren Köpfen auslöst … Dass wir spüren können, was andere empfinden, hängt damit zusammen, dass dank der Spiegelneuronen in unseren Köpfen ähnliche Prozesse ablaufen wie bei jenen, die wir beobachten[vi]

Aber sie reichen allein nicht aus, um unsere Empathiefähigkeit zu erklären, um ähnliche Empfindungen haben zu können wie er oder sie. Es bedarf darüber hinaus einer grundlegenden Vorstellung vom eigenen Selbst sowie vom Selbst des anderen.

Für das Bewusstsein vom eigenen Selbst wie auch der damit zusammenhängenden empathischen Fähigkeiten wie die des Mitgefühls sind sogenannte Spindelneuronen (auch VEN-Zellen genannt) verantwortlich. Sie sind so lang, dass sie weit auseinanderliegende Hirnregionen miteinander verbinden können.[3] Fallen die Spindelneuronen etwa bei Demenzerkrankungen aus, so verlieren diese Menschen das Bewusstsein ihrer selbst wie auch ihre empathischen Fähigkeiten.
»Wir kennen nicht nur unsere eigenen Wohl-und-Wehe-Empfindungen, sondern können mit guten Gründen davon ausgehen, dass andere (menschliche wie nichtmenschliche) Lebewesen auf ähnliche Weise empfinden … deshalb ist das, was wir tun oder unterlassen, nicht nur für uns selbst bedeutungsvoll … sondern auch für andere fühlende Wesen, die von den Handlungen betroffen sind[vii]

Neben gestischer und mimischer Kommunikation (zu der auch Tiere fähig sind) verfügt allein der Mensch auch über Sprache im linguistischen Sinn. Mit ihr wird es möglich, Begriffe, gedachte geistige Inhalte, Vorstellungen von etwas zu übermitteln und auszutauschen.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich vor etwa Hunderttausend bis Sechszig-tausend Jahren durch molekulare Veränderungen des Gehirns eine allgemeine Sprachfähigkeit entwickelt hat. Damit verbunden ist eine universale Sprach-grammatik, das heißt, alle Sprachen sind nach gleichen Prinzipien aufgebaut. So stehen zum Beispiel Verben immer am Rand einer Objekt-Verb-Verbindung. Diese allgemeine Grammatik ist dafür verantwortlich, dass es jedem Neugeborenen dieser Welt möglich ist, jede Sprache dieser Erde intuitiv zu erlernen, so der Sprachforscher Günther Grewendorf.

Das spezifische der menschlichen Sprache ist, dass aus einer begrenzten Zahl von Lauten und Zeichen unendlich viele Sätze erstellt werden können. Dadurch wird es möglich, äußerst detaillierte und präzise Informationen zum Beispiel über Handwerk und Kulturtechniken an jede beliebige Person weitergeben zu können. Gleichzeitig können wir uns über die Entwicklung eines fiktiven Sprachstils Dinge und Geschich-ten gemeinsam vorstellen und über diese nachdenken, die in der Realität noch nicht oder nicht existieren wie Mythen, Götter, Vorstellungen über Verhaltensregeln, über Sozialverhalten oder utopische Gesellschaftsverfassungen.

Bei der Bildung von Sätzen oder Begriffen liegt die Bedeutung oder das Gemeinte nicht in dem Satz oder Begriff selbst, sondern entwickelt sich kommunikativ in dem jeweiligen Sprachraum. Bedeutungsgehalte von Sätzen und Begriffen sind also nicht statisch, sondern verändern sich in der Zeit im kommunikativen Handeln und müssen immer wieder neu diskursiv ausgehandelt werden.
Das, was für Begriffe und Bedeutungsgehalte gilt, gilt auch für normative Regeln des Zusammenlebens, für Ethik und Moral oder objektiven Geist (Hegel) einer Gesellschaft. Der öffentliche Raum ist der Ort, wo sich die kommunikative Vernunft der Individuen begegnet, um im vernünftigen Gespräch gemeinsame kooperative Aktivitäten, gemeinsame Ziele und gemeinsame Absichten diskursiv, das heißt als prinzipiell Gleiche, auszutauschen, und zwar derart, dass ich gleichzeitig mögliche Einwände aller gegenwärtigen Personen zu antizipieren versuche. Dies alles unter der Überschrift: Wie soll ich handeln? Inwieweit kann ich das, was ich jetzt tue, jedem Menschen gegenüber rechtfertigen (moralisches Handeln)?

In diesem diskursiven Raum begegnet mein Bewusstsein einem anderen auf gedanklicher, geistiger Ebene. Ich nehme Gedanken auf, beurteile sie und erwidere dem Gegenüber, indem ich ihm meine Gedanken unter Berücksichtigung aller meiner Erfahrungen zu diesem Sachverhalt mitteile. Jeder Augenblick dieses Gesprächs verändert mein eigenes und das Bewusstsein des anderen. Gleichzeitig entwickeln wir zusammen ein Stück gemeinsames Bewusstsein, das Verstehen ermöglicht.
Welche Implikationen hat dieser nur der menschlichen Natur eigene Sachverhalt für gutes Leben?

Weil der Mensch wesentlich Geistmensch ist, über Vernunft und Sprache verfügt und nur im Gespräch mit anderen eine eigene Identität, ein Selbst entwickeln kann, ist er zwangsläufig auf andere Menschen, die Gemeinschaft, angewiesen. Er kann nicht ohne sie existieren. In welcher Form und mit welcher Intention die Menschen miteinander kommunizieren, ist also von entscheidender Bedeutung für Wohlbefinden und sinnhaftes Sein – zumal man der Kommunikation nicht entfliehen kann. Man kann nicht nicht kommunizieren (Watzlawick), auch ein Schweigen kann in entsprechenden Situationen mehr Bedeutung haben als jedes gesprochene Wort.

Die Bedingungen und emotionalen Implikationen einer gelungenen Kommunikation sind interaktives Handeln unter der Prämisse kommunikativer Vernunft. Sie kann nur gelingen nur im Geist gegenseitigen Respekts und der Annahme der prinzipiellen Gleichheit der an der Interaktion Beteiligten. Damit verbunden ist gegenseitige Anerkennung, akzeptiert, geachtet, respektiert zu werden, Vertrauen zu genießen.[4] Gelungene Kommunikation und Gemeinschaft erfüllen wichtige Bedürfnisse nach menschlichem Kontakt, nach Teilhabe und Selbstwert und können so die innere Balance stabilisieren und zu Emotionen der Geborgenheit und Sicherheit beitragen.

Kontakte der Menschen untereinander sind eine Existenzbedingung menschlichen Seins, nicht zuletzt auch durch die Fortpflanzungsidee, die in unseren Genen angelegt ist, und die sich heute in der Idee der Liebe äußert. Letzteres ist ein fundamentales Gefühl, ohne das gutes Leben nur schwer vorstellbar ist – Liebe geben und empfangen, umsorgt sein, wertgeschätzt und respektiert werden, sich geborgen fühlen können, für jemanden da sein können, jemandem Schutz geben. Prosaisch ausgedrückt ist Voraussetzung dafür die gelingende Interaktion zweier oder mehrerer Individuen, die sich in Form von Liebe, Freundschaft, Bekanntschaft, Kollegialität und Solidarität gesellschaftlich äußert. Jeder weiß, wie es sich anfühlt, nicht ernst genommen, missachtet oder verletzt zu werden. Keine Wertschätzung zu erfahren, bloßgestellt zu werden, ungeliebt durch das Leben zu gehen, ungeschützt zu sein und in Angst leben zu müssen, stehen gutem Leben diametral entgegen.

Gutes und sinnvolles Leben in seiner ganzen Bandbreite ist nicht axiomatisch fassbar. Jeder einzelne Mensch muss eigene Schwerpunkte setzen und die Folgen seines Lebens für andere einschätzen. Abhängig ist dieses Urteil von dem gesellschaftlichen Erlebensraum, in dem die Menschen sich bewegen. Aus diesem leiten sich die individuellen Möglichkeiten ab, ein gutes Leben gestalten zu können, sowie die Kriterien und Bewertungsmaßstäbe, an denen der Einzelne gutes Leben bemessen kann.

(Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um einen leicht überarbeiteten Auszug aus meinem Buch: Gutes Leben. Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität. Norderstedt 2020.)

[1] So sind auch in der heutigen DNA alle bisherigen Erbinformationen noch erhalten.

[2] Wer einsam ist, für den ist das Risiko, früher zu sterben, um ein Viertel höher, so Hahn und Klinger: ‚Gemeinsam gegen einsam‘. In: Frankfurter Rundschau vom 16. 9. 2020

[3] Spindelneuronen findet man, soweit man heute weiß, nur bei wenigen Tierarten, die möglicherweise eine rudimentäre Vorstellung vom eigenen Selbst und vom anderen haben. Das sind Menschenaffen, Wale, Delfine und Elefanten.

[4] Dies alles sind Begriffe, die, wie entsprechende Untersuchungen zeigen, in hohem Maße als wichtig und wertvoll für das eigene Leben eingestuft werden.

 

[ii] Schmidt-Salomon, Hoffnung Mensch. Eine bessere Welt ist möglich. München 2014, S. 326

[iii] Schmidt-Salomon, a.a.O. S. 327

[iv] Karl R. Popper, Hat die Weltgeschichte einen Sinn? In: Ch. Fehige, G. Meggle, U. Wessels (Hrsg.): Der Sinn des Le-
          bens, München 2000, S.168

[vii] Michael Schmidt-Salomon, a.a.O. S. 327


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